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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
Autoren: Wolfgang Bödeker
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an diese Wirksamkeit abhing.
    Dann nehme ich wohl die Rolle des Zauberers ein, dachte sie erschrocken, und wollte schon etwas sagen, was die zunehmend krampfige Marion hätte beruhigen können. Etwas, was die ganze Zeremonie in einen nachmittäglichen Zeitvertreib zurück verwandelt hätte. Aber Marion zischte, mit einem offensichtlich aggressiven Unterton: "Nu mach schon" und Elaine zog die dritte Karte, die für den Ausgang der aktuellen Unternehmungen Marions stand. Auf ihr aggressives Verhalten würde sie später eingehen.
    Das musste ja jetzt sein, dachte Elaine verärgert, aber plötzlich auch ein wenig ängstlich, als sie das Bild eines Skelettes mit einer Sense in den knochigen Händen sah. Auf der Sense waren ägyptische Schriftzeichen angebracht. Das Skelett schien damit einen aus dem Hintergrund her leuchtenden Regenbogen zu durchschneiden. Auf dem Boden vor ihm lagen Teile menschlicher Kadaver. Köpfe, Hände, die in flehender Geste aus der Erde zu wachsen schienen, und ein arm- und beinloser Torso. Die Karte trug die XIII, natürlich, und hieß "The Reaping Skeleton".
    Marion zeigte keine weiteren Reaktionen, als hätte sie die Karte erwartet.
    Elaine las sofort den beschwichtigenden Text: "Diese Tarot-Karte bedeutet: Erlösung von Fesseln. Erlösung als Gnade. Veränderung. Ablösung von alten Lebensformen. Fürchten Sie sich nicht! Dies ist eine sehr positive Karte. Lösen Sie sich von allfälligen Vorstellungen, die Sie mit dieser Karte verknüpfen mögen. Wir neigen sozusagen natürlich dazu, die Karte 'Der Tod" mißzuverstehen ."
    Sie drehte das Buch zu Marion hin, um ihr zu beweisen, dass sie nichts dazu erfunden hatte.
    "Das hört sich doch sehr gut an."
    Marion sagte nichts, ihre Augen röteten sich weiter. Sie starrte verzweifelt in das Chaos ihres Wohnzimmers. Elaine wusste nicht so recht, was sie jetzt sagen sollte. Sie fand das Gebaren ihrer Nachbarin ziemlich übertrieben, außerdem war sie noch verstimmt über ihren aggressiven Ton.
    "Sind doch nur Karten", sagte sie etwas lahm.
    Marion stöhnte.
    "Du weißt doch gar nicht, was los ist.“ sagte sie, "Ich möchte jetzt alleine sein."
    Sie stand auf und ging ohne ein weiteres Wort hinaus. Elaine hörte eine Tür schlagen. Erstaunt über Marions Verhalten blieb sie sitzen.
    Was sollte das?
    Sie bereute, auf den Vorschlag ihrer Nachbarin eingegangen zu sein. Sie hätte bemerken müssen, dass sie in einem viel zu desolaten Zustand war, um Spielchen mit Wahrsagekarten zu betreiben. Jetzt ärgerte sie sich über sich selbst. So ein Mist, wussßte sie denn nicht genug, um beurteilen zu können, dass sensible Menschen schon anfällig genug für so etwas waren? Und Marion schien mehr als sensibel zu sein, zerrüttet war wahrscheinlich treffender. Sie blickte auf die Karte mit dem Turm, das traf es ganz genau, eine Ruine.
    Ein leichter Schauder lief ihr über den Rücken.
    Und die zweite Karte? Mäßigung. Da schien mehr dahinterzustecken als sie aus der unordentlichen Wohnung zu schließen vermochte. Vielleicht waren die leeren Flaschen in der Küche ein deutlicherer Hinweis. Und "der Tod", das schien Marion wirklich wie eine Art Urteil anzunehmen, für die Interpretation der Karte war sie überhaupt nicht empfänglich gewesen, was Elaine wiederum verstand, wie sollte so eine deutliche Bildaussage durch den Text gemildert werden?
    Was nutzte es.
    Sie wollte aufstehen. Dabei stieß sie mit dem Knie gegen den Tisch und brachte einen der Kartenhaufen ins Rutschen. Die Karten fielen auf den Boden, alle mit der Rückseite nach oben.
    Nur eine Karte kam mit der Vorderseite nach oben zu liegen.
    Die Karte trug die XV und zeigte zwei in hockender Stellung kniende Halbmenschen, Mischwesen aus Ziegenbock und Mensch, die einem überlebensgroßem, geflügeltem Dämonen huldigten. Der Dämon, offenbar eine Art Gott, stand in einer Landschaft aus zertrümmerten Säulen eines untergegangenen Tempels und trug eine Art Zepter in der rechten und eine Fackel in der linken Hand. Über dünnen Beinen erhob sich ein aufgedunsener, fetter Leib, wie von einem Nilpferd. Der Kopf des Dämonen war der eines Krokodils. Kleine, listige Augen schienen den Betrachter des Bildes anzusehen. Aus seinem Bauchnabel wuchs eine schwarze Schlange und über dem Kopf zündelte eine Flamme. Mehrere kleine, schwarze Käfer krochen auf dem Boden herum.
    Elaine starrte auf die Karte.
    Dieses Wesen hatte sie schon einmal gesehen, nicht als Abbildung, nein, sie hatte es tatsächlich schon einmal
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