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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers.
Autoren: Andrea Camilleri
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Während sie auf die Rechnung warteten, sagte Livia etwas, das, wie Montalbano klar war, die Situation deutlich verschlimmern würde.
      »Weißt du was, Liebling, wir müssen morgen sehr früh aufstehen.«

    »Warum?«
      »Weil wir den Tag in Laigueglia verbringen, bei meiner Freundin Dora, du kennst sie nicht, aber du wirst sie sicher mögen...«
    »Wo ist denn Laigueglia?«

      »Bei Savona. Der Strand ist praktisch die Fortsetzung des Strandes von Alassio. Einfach entzückend. Und dann gibt es da ein Dorf, das der Norweger gekauft hat...«
    »Welcher Norweger?«
    »Der mit so einer Art Floß den...«
    »Thor Heyerdahl mit der Kon Tiki.«
    »Genau. Es heißt Colla Micheri.«

    »Was?«
      »Das kleine Dorf, das der Norweger gekauft hat. Was hast du?«
    »Ich?«
    »Ja, du. Was hast du?«

    »Nichts. Was soll ich denn haben?«
      »Komm, Salvo. Ich kenne dich doch. Du hörst mir gar nicht zu.«
      Montalbano holte tief Luft, wie jemand, der ins Wasser springen will.

    »Morgen fahre ich.«
    Zuerst lächelte Livia noch, vollkommen überrascht.

    »Ach ja? Und wohin?«
    »Zurück nach Vigàta.«
      »Aber du hast doch gesagt, dass du bis Montag bleibst«, sagte sie, während ihr Lächeln langsam wie ein Streichholz verlosch.
    »Das Problem ist, dass...«

    »Das interessiert mich nicht.«
    Sie stand auf, nahm ihre Handtasche und verließ das Restaurant. Montalbano zahlte sofort und folgte ihr. Livias Auto stand nicht mehr auf dem Parkplatz. Er fuhr mit dem Taxi nach Hause, Gott sei Dank hatte er einen Zweitschlüssel, denn Livia hätte ihm todsicher nicht geöffnet. Wie sie ihm auch die Schlafzimmertür nicht öffnete und auf sein Rufen nicht reagierte. Bedrückt zog er sich aus und legte sich in dem kleinen Wohnzimmer aufs Sofa. Er konnte nicht einschlafen und wälzte sich von einer Seite auf die andere. Gegen fünf Uhr morgens hörte er, wie die Schlafzimmertür aufging und Livia sagte: »Komm ins Bett, du Idiot.«
      Er beeilte sich. Ein bisschen, weil er Lust hatte, seine Freundin in den Arm zu nehmen, und ein bisschen, weil er sich dringend bequem hinlegen wollte.

      »Warum bist du denn schon wieder zurück?«, fragte Mimi Augello sofort argwöhnisch, als Montalbano ins Büro kam.
      »Ach, weißt du, Livia wollte einer Freundin nicht absagen, die sie über das Wochenende eingeladen hatte, ich hatte keine Lust, und so... Was sollte ich allein in Boccadasse? Gibt's was Neues?«
    »Weißt du von nichts?«
      Mimi war immer noch skeptisch, die plötzliche Ankunft seines Chefs kam ihm spanisch vor.
    »Woher denn?«

      Augello sah ihn an, der Commissario sah so unschuldig drein wie ein Neugeborenes.
    »Eine Frau ist umgebracht worden.«

    »Wann?«
    »Noch am Tag deiner Abreise.«

    »Und wer ist es?«
    »Eine Hure. Siebzig Jahre alt.«
      Montalbano war so aufrichtig verblüfft, dass Mimi sein Misstrauen verlor.
    »Eine siebzigjährige Hure? Soll das ein Witz sein?«

      »Ganz und gar nicht! Siebzig und hat noch gearbeitet. Eine tüchtige Frau.«
    »Erklär mir das genauer.«

    »Sie hieß Maria Castellino, verheiratet, zwei erwachsene Kinder.«
      Montalbano verstand überhaupt nichts mehr. »Was heißt verheiratet?«
      »Salvo, das Wort hat seine Bedeutung in den drei Tagen, die du in Boccadasse warst, nicht geändert. Verheiratet heißt verheiratet. Und du kennst den Ehemann. Es ist Serafino, der Kellner in der Bar Pistone.«
      »Eine Frage: Hat Serafino sie geheiratet, bevor oder nachdem sie als Hure angefangen hat?«

      »Währenddessen. Erst hat er sie als Freier regelmäßig aufgesucht, dann haben sie gemerkt, dass sie ineinander verliebt sind, und haben geheiratet. Eine glückliche Ehe. Sie haben zwei Söhne bekommen. Einer...«
      »Moment mal. Und dieser Serafino hat nach der Hochzeit zugelassen, dass seine Frau weiterhin ihrem Job nachging?«
      »Serafino hat gesagt, dass sie nie über die Sache geredet haben. Sie fanden es beide selbstverständlich, dass die Frau weiter arbeitet.«
    »Tat sie das zu Hause, während ihr Mann nicht da war?«
      » No-s-signore, Serafino sagt, dass ihr Haus anständig und ehrbar ist. Sie hatte sich ein catojo, ein ebenerdiges Zimmer, im Vicolo Gramegna gekauft, einer winzigen Straße mit vier Häusern, fast auf dem Land. Das Zimmer, dessen Luftzufuhr durch ein kleines Fenster neben der Tür kommt, war tipptopp in Ordnung. Und das Bad erst! Blitzblank. Wenn die Tür des Zimmers offen stand, bedeutete das, dass sie frei war,
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