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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut
Autoren: Hans Waal
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genauer wissen. Für seinesgleichen war es schwer genug, einen Vorgesetzten zu akzeptieren, der sich die Beine rasierte und keine Ahnung von Polizeiarbeit hatte. Ich hoffte, dass es nur das war. Mehr als Zickigkeit hatte ich alldem kaum entgegenzusetzen, außer vielleicht noch meine Stärke, am Telefon schweigen zu können, bis es wehtat. Denn das hielt Schiller selten lange aus.
    »Amerikaner«, sagte er plötzlich, als sage das alles.
    Ephraim schnurrte im Schlaf und ich steckte meine kalten Füße unter sein Fell, während Schiller endlich mit der ganzen Geschichte herausrückte: Demnach war ein Bus mit amerikanischen Austauschschülern auf der Autobahn Richtung Hamburg verunglückt. Polizisten vom Revier Dreieck Dosse hatten ihn mit dem Heck in der Luft gefunden. Die Fahrgäste irrten im Wald umher, manche über die Fahrbahn. Nicht alle seien sofort ansprechbar gewesen, was aber - so Schillers Vermutung - auch am Englisch der Brandenburger Beamten gelegen haben konnte. Etwa die Hälfte der 50 jungen Amerikaner sei mit leichten Verletzungen in Krankenhäuser der Umgebung verteilt wurden, die anderen waren schon wieder auf dem Rückweg nach Berlin.
    »Und weiter«, platze ich in seine erste Atempause.
    »Nichts weiter - außer dass die US-Botschaft Druck macht und das Auswärtige Amt seit Stunden verrückt spielt. Jede Minute ruft hier ein anderes hohes Tier an. Aber sonst nichts! «
    Schiller geriet nun doch hörbar in Gefahr, etwas von seiner Fassung zu verlieren: »Wir können das höchstens noch zehn Stunden deckeln«, flüsterte er aufgeregt in den Hörer, »übermorgen - spätestens - steht es in jeder Zeitung .«
    »Wieso deckeln? War der Busfahrer betrunken oder so? «
    »Nein! Ach so - Entschuldigung - mein Fehler: Auf den Bus wurde geschossen. Zwei Projektile haben wir schon gefunden. Aber allein die Frontscheibe hat sechs Löcher! «
    Begeistert horchte ich auf: So hatte ich den ewig lässigen Schiller noch nie erlebt, müde, gereizt, fast ein wenig ungehalten. Mein Fehler, hatte er gesagt. Sein Fehler! Das naive Weibchen war zwar auch nur einer meiner notdürftigsten Tricks - aber immerhin: Ich war auf dem richtigen Weg.
    »Trotzdem: Was haben wir damit zu tun? «
    »Wenn Sie mich einmal ausreden lassen könnten - bitte! «
    Ich konnte, aber schrieb mir heimlich einen zweiten Punkt gut und erfuhr auf dem Weg in meine Küche, dass die Kollegen bei der Suche nach verstreuten Schülern eine automatische Waffe am Waldrand gefunden hatten. Was eine »MP 44« war, sagte mir natürlich nicht viel. Umso genauer wusste es Schiller.
    »Eine Maschinenpistole, Kaliber 7,92, auch Schmeisser genannt .«
    »Weil sie dort weggeschmissen wurde? «
    »Nein«, rief er, »so hieß der Konstrukteur, meine Güte! «
    Lächelnd sortierte ich in meinem Kühlschrank abgelaufene Joghurts hin und her. Leider fand ich keinen Essbaren mehr - und Schiller viel zu schnell zum richtigen Ton zurück.
    »Eine alte Wehrmachts-Knarre ist das. Der dicke Elber - Sie wissen schon - ist ein echter Waffennarr, der erkennt jede Flinte dieser Welt im Dunkeln und war ganz begeistert .«
    »Typisch Mann.. .«
    »Fachmann«, verbesserte mich Schiller und raschelte mit Papier. »Von diesem Sturmgewehr wurden nur ein paar tausend gebaut und an besondere Einheiten verteilt, Fallschirmjäger, Waffen-SS - so was. Erst ziemlich spät im Krieg entwickelt .«
    »Von Schmeisser.. .«
    »Genau. Elber meint sogar: zu spät .«
    »Wie: zu spät? Was meint er denn damit? «
    »Keine Ahnung«, log Schiller und wusste es doch genauso gut wie ich. »Aber jetzt kommt’s: Die Waffe sieht aus wie neu, wie konserviert oder noch nie benutzt. Bis heute Nacht: Sie war quasi noch warm. Das Kaliber passt auch. Wir haben.. .«
    Den Rest hörte ich nur noch mit einem Ohr. Ich hatte damit zu tun, mich über diesen Elber zu ärgern. Gleichzeitig musste ich anerkennen, dass in dieser Nacht offenbar lauter ausgeschlafene Beamte Dienst hatten: Nur zwei Stunden nach dem Unfall war die SoRex alarmiert. Kurz darauf stand meine kleine Einsatzgruppe schon am Tatort. Und wenn alles stimmte, was Schiller zu berichten hatte, war die Waffe nun bereits auf dem Weg nach Wiesbaden. Dieses Tempo war fast unheimlich. Allein der Antrag für eine Laboruntersuchung beim BKA wäre auf dem üblichen Dienstweg wochenlang durch die Republik geirrt.
    Richtig freuen konnte ich mich trotzdem nicht darüber: Hätte die Polizei in den letzten Jahren nur ab und zu halb so schnell reagiert, wäre eine
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