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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter
Autoren: Petra Hammesfahr
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Solange die Hände in Bewegung sind, hält man es im Kopf aus.»
    «Was hast du vor?»
    «Frühstücken», sagte er und setzte sich an den Tisch. «Ich hätte gerne zwei Eier, hart, ich möchte sie aufs Brot schneiden.»
    Ich kochte vier Eier. Wenn er sich zwei aufs Brot schnitt, wollte Anne das auch tun.
    «Und was tust du nach dem Frühstück?»
    «Mal sehen», sagte er.
    «Du hast gar nicht geschlafen.»
    «Du doch auch nicht», sagte er. «Und ich hatte eine Menge zu lesen. Weißt du, Klinkhammer hatte Recht. Ich wusste wirklich nicht, was in ihr vorgegangen ist. Jetzt weiß ich es. Und dieser Schweinehund hat mir die Chance genommen, ihr zu sagen: Mädchen, du bist Klasse. Du bist in Ordnung, bleib, wie du bist.»
    Für einen Moment sah es aus, als bräche er erneut in Tränen aus. Er drehte seinen Frühstücksteller mit einem Finger auf dem Rand. Die Lippen hielt er zwischen die Zähne gezogen. Seine Schultern bewegten sich auf und ab, als wolle er eine Verspannung lockern.
    «Weißt du, warum sie nicht mit Nita gefahren ist? Sie meinte, das könne sie uns nicht antun. Sie meinte, dass wir sie doch irgendwie lieb hätten. Irgendwie – meinte sie.»
    Annes Schritte auf der Treppe ließen ihn verstummen. Er schaute ihr entgegen, lächelte sie an.
    «Wenn du mich erträgst, kannst du heute nochmal mit mir in die Stadt fahren. Aber dann musst du dich beeilen. Ich fahre gleich los. Ich will noch rasch ins Krankenhaus und   …»
    Er brach ab. Anne schaute ihn verständnislos an.
    «Ich fahre heute nicht zur Schule, Papa.»
    Er lächelte gönnerhaft. «Na ja, du kannst es dir leisten, einen Tag blau zu machen.»
    «Heute ist Samstag, Papa.»
    «Ach so, ja natürlich», sagte er, erhob sich und lächelte erneut, irgendwie seltsam und geistesabwesend. «Aber ins Krankenhaus fahre ich trotzdem.»

12.   Kapitel
    Um halb acht verließ Jürgen das Haus. Da dachte ich noch, er wolle nur Vater informieren. Anne sah es auch so, fand allerdings: «Er ist ziemlich durcheinander, was?»
    Jürgen hatte sein Frühstück nicht abgewartet. Ich hatte auch keinen Appetit. Anne nahm sich ein hart gekochtes Ei und schnitt es auf eine Scheibe Brot. Nachdem sie gegessen hatte, wollte sie wissen, ob sie mir bei irgendetwas helfen könne. Ich wusste nicht, bei was.
    «Dann leg ich mich noch ein Stündchen hin», meinte sie und ging wieder hinauf. Ich räumte den Tisch ab, ging ebenfalls nach oben, um die Betten zu machen. Sie waren zerwühlt, weil ich sie am Freitag nicht gemacht hatte. Ich war nicht müde, nur ein bisschen benommen im Kopf und lahm in den Gliedern. Ich dachte, eine heiße Dusche würde mir gut tun.
    Im Bad sah ich die drei Bücher liegen. Ich schlug sie auf und blätterte sie durch. Die meisten Seiten waren zerknittert, einige feucht, die Schrift verschmiert. Lesen konnte ich nicht. Allein ihre Schrift zu sehen brannte in den Augen. Und die Gedanken   …
    Jürgen wird ihn umbringen! Ich glaubte es nicht, ich fühlte es nicht, ich wusste es. Er will nicht zu Vater. Wenn er wirklich ins Krankenhaus fährt, dann nur, um sich irgendetwas, vielleicht ein Betäubungsmittel oder ein starkes Medikament, zu besorgen. Man kennt ihn dort gut, man mochte ihn immer. Man wird ihm geben, was er haben will! Weil man weiß, dass seine Tochter   …
    Ich verzichtete auf die Dusche, fuhr nur mit dem Kamm durchs Haar und rannte zur Scheune. Zwanzig Minuten später stand ichan Vaters Bett. Mutter war nicht im Zimmer, Jürgen auch nicht. «War Jürgen bei dir?»
    «Bis vor ein paar Minuten», sagte Vater. «Er hat sich nicht lange aufgehalten, hat mich nur kurz informiert. Ich habe dir ja gesagt, dass es so kommen wird.»
    «Hat Jürgen sonst noch etwas gesagt?»
    «Nein.» Vater schien erstaunt. «Was soll er denn sonst noch gesagt haben?»
    «Er will Udo umbringen.»
    Vater lächelte wie ein weiser, alter, verständnisvoller Mann. «Vera, ich bitte dich. Du weißt doch, wie das ist. Man sagt viel in solch einer Situation. Erinnere dich, was hast du gemacht, als du annehmen musstest, Hennessen hätte Rena etwas angetan?»
    Sein Lächeln verstärkte sich. «Jürgen wird nichts Unüberlegtes tun, mach dir um ihn keine Sorgen.»
    Das tat ich aber. Nichts Unüberlegtes! Ich dachte auch eher an etwas besonders gut Überlegtes. «Hat er dir gesagt, wohin er wollte?»
    «Wieder nach Hause, nehme ich an. Ausdrücklich gesagt hat er es nicht.»
    «Dann hätte er mir begegnen müssen. Ich habe ihn nicht gesehen unterwegs.»
    Ich hatte keine Ruhe,
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