Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Vater ihm das halbvolle Glas wegnahm und den Champagner hinunterstürzte. Er straffte die Schultern und ging zur Tanzfläche zurück. Ein perfekter Anblick.
    »Das Verwirrende ist«, flüsterte Randolph, »sie liebt ihn. Sie hat ihn immer geliebt.«
    »Ja, aber sie ist wie ihr Vater. Sie liebt ihre Freiheit. Und offen gesagt, ich kann es ihr nicht verdenken. In gewisser Weise ist sie zuviel für Alex. Aber er würde sie glücklich machen, das weiß ich.«
    »Gewiß.«
    »Und sie würde ihn überglücklich machen; was möglicherweise sonst niemand könnte.«
    »Unsinn«, sagte Randolph. »Jede junge Frau in London würde alles dafür geben, Alex glücklich zu machen. Den achtzehnten Earl of Rutherford?«
    »Ist das wirklich so wichtig? Unsere Titel, unser Geld, die endlose Instandhaltung unserer dekorativen und langweiligen kleinen Welt?« Elliott sah sich im Ballsaal um. Dies war das lichte und gefährliche Stadium des Trinkens, wenn alles zu glänzen anfing, wenn die Körnung des Marmors einen Sinn bekam, wenn man die beleidigendsten Ansprachen halten konnte. »Manchmal frage ich mich, ob ich bei Lawrence in Ägypten sein sollte. Und ob Alex seinen heißgeliebten Titel nicht einer anderen zu eigen machen sollte.«
    Er konnte die Panik in Randolphs Augen sehen. Großer Gott, was besaß der Titel für diese Handelsfürsten, diese Geschäftsmänner, die außer dem Titel alles hatten, für eine Bedeutung? Es ging nicht nur darum, daß Alex Julie einmal besitzen würde, und damit auch die Millionen der Stratfords, und daß Alex selbst viel leichter zu manipulieren sein würde als Julie. Es war die Aussicht auf wahren Adel, auf Nichten und Neffen, die im Park des alten Anwesens der Rutherfords in Yorkshire Spazierengehen würden, und darauf, daß der klägliche Henry Stratford in jeder abscheulichen Weise Kapital aus dieser Verbindung schlagen würde.
    »Noch sind wir nicht geschlagen, Elliott«, sagte Randolph.
    »Und mir gefällt deine dekorative und langweilige kleine Welt.
    Was bleibt denn noch, wenn man sich die Sache genau überlegt?«
    Elliott lächelte. Noch ein Schluck Champagner, und er würde Randolph erzählen, was sonst noch blieb. Vielleicht würde er es wirklich tun…

    »Ich liebe dich, edler Engländer«, sagte Malenka zu ihm. Sie küßte ihn, dann half sie ihm mit der Krawatte, und als er ihre sanften Finger am Kinn spürte, richteten sich seine Nackenhaare auf.
    Was waren Frauen doch für reizende Närrinnen, dachte Henry Stratford. Aber diese ägyptische Frau hatte ihm mehr Vergnü-
    gen bereitet als die meisten. Sie war dunkelhäutig und Tänzerin von Beruf – eine stille und üppige Schönheit, mit der er machen konnte, was er wollte. Diese Freiheit konnte man sich bei einer englischen Hure nicht herausnehmen.
    Er konnte sich vorstellen, daß er sich eines Tages mit so einer Frau in einem Land des Ostens niederließ – frei von jeglicher britischer Ehrbarkeit. Aber erst, wenn er sein Vermögen am Spieltisch gemacht hatte – den einen großen Gewinn, der ihn dem Zugriff der Welt entzog.
    Vorerst aber mußte er das erledigen, wozu er hergekommen war. Seit dem Abend hatte sich die Menschenmenge vor dem Grab verdoppelt. Es kam darauf an, daß er zu seinem Onkel Lawrence kam, bevor ihn die Museumsleute und Behörden vollkommen mit Beschlag belegten – daß er jetzt zu ihm kam, wo er wahrscheinlich in alles einwilligen würde, um in Ruhe gelassen zu werden.
    »Geh, Liebste.« Er küßte Malenka noch einmal und sah zu, wie sie den dunklen Mantel um sich schlang und zu dem war-tenden Automobil eilte. Wie dankbar sie für dieses bißchen Luxus des Westens war. Ja, so eine Frau. Lieber als Daisy, seine Geliebte in London, ein verdorbenes und habgieriges Geschöpf, die ihn aber dennoch erregte – vielleicht weil sie so schwer zufriedenzustellen war.
    Er trank den letzten Schluck Scotch, nahm die lederne Aktentasche und verließ das Zelt.
    Die Menschenmassen waren ihm zuwider. Die ganze Nacht war er vom Dröhnen und Brummen der Automobile und hektischen Stimmen geweckt worden. Jetzt nahm die Hitze wieder zu, und er konnte bereits Sand in den Schuhen spüren.
    Er verabscheute Ägypten. Er verabscheute diese Wüstenlager und die dreckigen, kamelreitenden Araber und die trägen, schmutzigen Diener. Er verabscheute die ganze Welt seines Onkels. Und da war Samir, der unverschämte, nervtötende Assistent, der sich als Lawrence gesellschaftlich ebenbürtig betrachtete und gerade versuchte, die dummen Reporter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher