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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten
Autoren: Unbekannter Autor
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Standardausrüstung, die jedes Mannequin bei jeder Vorstellung
    in einer Hutschachtel bei sich trug.
    »Anziehen bitte«, sagte er. »Mal sehen, was Sie zu bieten haben.«
    Schwatzdrossel wollte sich das nicht entgehen lassen. Er steuerte auf sie zu, blieb dicht vor ihr stehen und starrte ihr ins Gesicht, grinste unverschämt. »Wir haben auch nichts dagegen, wenn du den Badeanzug wegläßt, Kleine«, flüsterte er so laut, daß es alle hören konnten.
    Sie spürte, wie sie rot wurde, und warf Jed einen hilflosen Blick zu. Er lächelte wieder aufmunternd und führte sie ins Schlafzimmer. »Hier können Sie sich umziehen«, sagte er und machte die Tür hinter ihr zu.
    Sie zog sich rasch um und warf nur einen kurzen prüfenden Blick in den Badezimmerspiegel. Wieder einmal war sie froh über ihre tiefgoldene Sonnenbräune, die sich seit dem Sommer gehalten hatte. Sie nahm ein Kleenextuch und tupfte sich die Schweißperlen von der Oberlippe. Dann ging sie ins Zimmer zu den Männern.
    Alle Köpfe wandten sich zu ihr um, als sie durch die Tür kam. Einen Augenblick lang kostete sie es aus, dann spazierte sie in ihrem Mannequingang bis zur Mitte des Zimmers und drehte sich langsam um sich selbst.
    »Sie hat eine gute Figur«, sagte der Produzent, »sehr ordentlich.«
    »Viel zu wenig Busen«, kicherte Schwatzdrossel. »Ich stehe nämlich auf Busen.«
    Der Produzent betrachtete sie immer noch. »Was erwartest du dir denn von einem Mannequin? Die Kleider sitzen nun mal besser, wenn sie keinen Busen haben. Sie hat immer noch mehr als die meisten anderen.« Er sah ihr ins Gesicht. »Oberweite achtundachtzig?« fragte er.
    Sie nickte.
    Der Produzent stand auf und lächelte. »Ich habe das beste Augenmaß von ganz Hollywood«, sagte er. »In zwanzig Jahren hab ich nicht einmal danebengetippt.« Er wandte sich Jed zu. »Die nehmen wir.«
    Schwatzdrossel stellte sich neben sie und schielte auf ihre Brüste. »Schenk mir ein Paar pralle Luftballons«, sang er mit abgewandeltem Text und völlig falscher Melodie.
    Bayliss lachte. »Laß den Quatsch. Wird Zeit, daß wir was essen gehen.« Er ging zur Tür.
    Schwatzdrossel und der Filmmanager folgten. An der Tür drehte Bayliss sich um und sagte zu Jed: »Erklär ihr, was sie zu tun hat. Um fünf soll sie auf der Pressekonferenz sein.«
    Die Tür schloß sich hinter ihnen, und Jed und sie sahen sich an. Er lächelte. »Vielleicht wollen Sie sich einen Moment hinsetzen und erst mal Luft holen.«
    Ihre Beine waren plötzlich schwer geworden. Sie lächelte dankbar und ließ sich in den Sessel fallen, in dem der Produzent gesessen hatte. Der Sessel war noch warm.
    »Danke.« Sie nahm das Glas und nippte.
    Jed füllte ein Glas mit Eiswürfeln und goß eine Flasche CocaCola hinein. Er reichte es ihr.
    »Lauter Verrückte«, sagte er, lächelte immer noch und sah auf ihren weißen Badeanzug und ihre langen, sonnengebräunten Beine.
    »Sind die immer so?« fragte sie.
    Jed lächelte unentwegt weiter, aber sie fand, seine Stimme hatte einen leicht bitteren Klang. »Immer«, sagte er. »Es sind bedeutende Männer, und das müssen sie sich ständig beweisen.«
    Die ganze nächste Woche war sie das bekannteste Mädchen von Buffalo. Es verging kein Tag, an dem ihr Foto nicht in den Zeitungen erschien. Zweimal war sie in den Niagara Falls News. Jeder Rundfunksender in der Gegend brachte ein
    Interview mit ihr, sie war bei jeder Fernsehshow und kam mit jedem wichtigen Journalisten, jedem Mann aus dem Showgeschäft in der Stadt und Umgebung zusammen.
    Jed ließ sie keine Minute aus den Augen. In seiner unaufdringlichen Art machte er ein Foto nach dem anderen von ihr und dem Produzenten; Fotos von ihnen beiden und Einzelfotos. Und immer mit einem Reklamegag für den Film. Die erste Nacht kam sie erst um drei Uhr früh nach Hause. Die nächste verbrachte sie überhaupt nicht zu Hause, sondern mit Jed in seinem Hotelzimmer.
    Es war eine verrückte, hektische Woche, und als sie vorüber war, kam ihr alles leer und sinnlos vor. Von all den vielen Leuten, die sie in dieser Woche getroffen hatte, schien sie keiner mehr zu kennen; nicht einmal die biederen Ehefrauen, die immer zur wöchentlichen Modenschau in das Kaufhaus kamen, in dem sie arbeitete.
    Sie erinnerte sich an das, was Jed ihr am letzten Abend gesagt hatte. »Du bist doch viel zu schade für diese miese Stadt, Barbara. Komm nach New York. Da bist du richtig.«
    Er hatte ihr seine Karte gegeben und die Karte eines Fotografen, den er kannte. Sechs
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