Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Moralisten

Titel: Die Moralisten
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
geschnappt hätte. Ich hatte es nicht nötig aufzuhören. Ich habe es deinetwegen getan. Wenn es mir nicht um dich gegangen wäre, hätte ich diese Schwierigkeiten leicht aus dem Wege räumen können, genauso wie ich alle anderen Hindernisse, die sich mir in den Weg stellten, auch beseitigt habe. Ich hätte Jerrys Karriere ruinieren können, wenn ich gewollt hätte.
    Du bist der einzige Anlaß gewesen, daß ich aufgegeben habe
    - weil ich deine Grundsätze anerkennen mußte. Vielleicht habe ich tief im Innern stets gewußt, daß du recht hattest, aber für dich habe ich es getan.
    Ich habe mit dir keinen Handel gemacht. Für dich habe ich mein ganzes Leben umgekrempelt, für dich habe ich ein Vermögen eingetauscht. Ich habe materielle Dinge für Ideale hingegeben. Und wenn du immer noch glaubst, daß ich dich nicht liebe, Baby, dann kannst du dich zum Teufel scheren!«
    Ich ließ sie los. Sie sank auf die Couch zurück, und ich wandte mich zum Gehen.
    »Frank«, rief sie mit leiser Stimme kleinlaut hinter mir her.
    Ich drehte mich um. Sie hatte sich erhoben. »Frankie«, sagte sie, »du weinst ja!«
    Ruth und ich wurden am letzten Junitag des Jahres 1941 von Friedensrichter Smith in Meriden, Connecticut, getraut.
    Als Ruth nach mir ihr »Ja« vor dem Richter sprach, schimmerten ihre Augen im tiefsten Blau, das ich je gesehen hatte, und ihre Stimme klang warm und weich und voll.
    Ich steckte Ruth den Ring an den Finger.
    Dann hob der Richter die Hände. »Aufgrund der Macht, die mir der Staat Connecticut verliehen hat, erkläre ich Sie hiermit für Mann und Frau.« Er holte tief Atem. »Sie dürfen Ihre junge Frau jetzt küssen.«
    Ich wandte mich zu Ruth. Unsere Lippen berührten sich in einem leichten Kuß.
    Der Richter lächelte mich an. »Meine besten Glückwünsche, junger Mann! Zwei Dollar, bitte.«
    Ich gab ihm fünf als Glücksbringer.
    Gegen elf Uhr kehrten wir in mein Appartement zurück. Ich trug Ruth über die Schwelle und küßte sie.
    »Hallo, Mr. Kane!«
    »Hallo, Mrs. Kane!«
    Ich trug sie zur Couch und ließ mich mit dem Zimmerdienst verbinden. Dann bestellte ich vier Flaschen Champagner, die sofort heraufgeschickt wurden.
    Während sie sich im Schlafzimmer zum Ins-Bett-Gehen fertigmachte, wartete ich im Wohnzimmer. Nervös trank ich einen Schluck aus meinem Glas. Ich trat ans Fenster und blickte auf New York. Sein Lichtermeer strahlte über den Fluß.
    Ich lächelte meinem Spiegelbild in der Glasscheibe zu. Plötzlich hob ich mein Glas und trank auf New York. »Auf dein Wohl!« sagte ich. Mein Spiegelbild im Fenster hob das Glas und trank mir zu.
    »Frank.«
    Ihre Stimme war so leise, daß ich sie fast nicht hörte. Ich wandte mich vom Fenster ab und ging zur Tür. »Ja, Ruth.«
    Es kam keine Antwort. Ich stellte das Glas hin, schaltete die Wandbeleuchtung aus und öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Das gedämpfte Licht einer Lampe glühte neben dem Bett.
    Ruth stand am Fenster. Sie streckte mir ihre Hand entgegen. »Frank, komm einen Moment her und schau hinaus.«
    Ich stand neben ihr, aber im Schein der Lampe konnte ich nichts weiter sehen als Ruth.
    »Frank«, sagte sie, und ihre Stimme klang seltsam und geheimnisvoll. »Schau aus dem Fenster. Hast du jemals hinausgeschaut und die ganze Welt vor dir liegen sehen? Eine Welt, groß und schön, die auf dich wartet?«
    Ich schwieg. Das Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Sie war schön.
    »Frank, was meinst du, wem wird unser Sohn ähnlich?«
    Ich küßte sie leicht auf die Wange. Sie kuschelte sich in meine Arme.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich sanft. »Ich habe nie an Kinder gedacht, ich wollte nie welche haben.«
    Sie schmiegte sich noch enger an mich. »Glaubst du, daß er dir ähnlich wird - wild und seltsam und böse und hübsch?«
    Ich preßte sie an mich. »Wenn er irgendetwas von mir hat, dann sollten wir wohl lieber auf ihn verzichten.«
    Meine Lippen streiften ihre Kehle. Ihre Stimme flüsterte mir ins Ohr: »Frank, unser Sohn wird schön sein.« Meine Lippen wanderten an ihrem Hals entlang zu ihrer Schulter. »Frank, weißt du, daß du schön bist?« Ich lachte und ließ meine Lippen über ihre Brust gleiten.
    »Weißt du, daß du schön bist?« flüsterte ich.
    Sie streckte die Hand aus und löschte das Licht.
    Es war später - viel später. Ich hatte lange Zeit ruhig dagelegen und sie betrachtet, wie sie schlief. In ihren Augenwinkeln waren kleine Tränen. Ich wischte sie mit der Hand fort. Plötzlich hatte ich Verlangen nach einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher