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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
Autoren: Nina George
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weil ganz profan die Zeit dafür fehlte, zwischen Brot & Butter und dem nächsten Anne-West-Sachbuch eine große Geschichte zu erdenken. Und: Es fehlte auch noch reichlich (Er-)Leben, um diesem Buch das Gewicht und die Tiefe zu geben, die »Die Mondspielerin« besitzt! Vielleicht musste ich einfach erst älter werden? Selbst spüren, wie es ist, mit nichts neu anzufangen? Überhaupt erst mal »ich« werden?
Im Mittelpunkt von »Die Mondspielerin« steht eine Frau von sechzig Jahren – wie haben Sie, als wesentlich jüngere Frau, sich in die Gefühlswelt einer so viel älteren hineindenken können?
Gefühle altern nicht. Zweifel, Hoffnungen, Sehnsüchte, Komplexe, Hingabe, Unsicherheit, Todesangst: Sie altern einfach nicht, und sie sind auch Jüngeren wie mir bekannt. Was aber die Dinge angeht, die eine Frau wirklich erst am eigenen Leib erfahren kann, wenn sie die vierzig, fünfzig, sechzig überschritten hat: Ich habe zugehört. Ich empfand schon als kleines Mädchen das, was ältere Frauen zu erzählen hatten, und auch das, worüber sie schwiegen, aber dafür mit ihren Gesten, ihrem Gesicht, ihren Augen beredt Auskunft gaben, umso vieles interessanter als das, was Gleichaltrige beschäftigte. Da steckte Leben drin! Zigtausend Stunden Leben, Gedanken, Träume, Wissen.
Ich fühle mich älteren Menschen näher; manchmal näher als mir selbst.
Gibt es für die Figuren in diesem Buch reale Vorbilder?
Ja – und nein. Marianne trägt das Gesicht aller nicht mehr ganz jungen Frauen, die ich in meinem Leben gesehen, gesprochen, umarmt oder nur aus der Ferne für einen winzigen Moment wahrgenommen habe. In ihr ist die alte Frau in Hamburg-Horn, die eine Zeitschrift aus dem Müllcontainer zieht und eine Parfümprobe herausknibbelt. In ihr sind die Frauen, die ich noch als Kellnerin bediente und deren Lächeln immer schöner wurde, je länger ich mich um sie kümmerte. Sie ist die Frau, die nicht weiß, woher sie kommt, die ich in einem Krankenhausbett in einer Kurstadt mit Franzbranntwein massierte und deren Hand meine suchte. Sie ist meine Großmütter und die Frauen im Hintergrund eines Familienbetriebs.
Und die anderen? Genauso: Es gibt keine Eins-zu-eins-Vorbilder. Aber von vielen Begegnungen etwas: Pascale etwa, die Künstlerin – sie gibt es wirklich, auf einem Schloss kurz vor Concarneau, aber zwanzig Jahre jünger und weder von Demenz noch von Hexenkunst gezeichnet. Oder Colette – ihr Aussehen nahm ich von einer anmutigen Passantin in Paris, ihre Stimme vom Nebentisch, ihre innere Welt von … nun, das möge ein Geheimnis bleiben. Und die Männer? Emiles Vorbild habe ich im Wald hinter Kerdruc kennengelernt, auf einem wunderschönen Anwesen, verschwiegen und geheimnisvoll. Wer weiß, vielleicht ist er in Wahrheit ein Spion a.D.?
Gibt es einen Ort, der für Sie persönlich ein »Schicksalsort« ist?
Jeder Kaffeehaustisch. Hamburg, die Stadt meiner Jungmädchenträume, das Grindelviertel besonders. Und Kerdruc, auf eine Art: Ich musste viele Umwege fahren, um diesen Ort zu finden. Nicht nur Umwege im Sinne von Straßen – auch Lebensumwege. Dass Kerdruc der Schauplatz der »Mondspielerin« ist, dem Buch, das für mich als Schriftstellerin das vielleicht wegweisendste Buch gewesen ist, hat etwas Schicksalhaftes an sich.
Welche Gabe würden Sie gern besitzen?
Ich würde mich gern unsichtbar machen können, um Gespräche zu belauschen und Menschen dabei zu beobachten, wie sie sind, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.
Ihre Heldin bricht aus ihrem bisherigen Leben aus und erfindet sich selbst neu. Wenn Sie ein alternatives Leben führen könnten, wie sähe es aus? Gibt es vielleicht jemandem, mit dem Sie gerne (und sei es nur für eine Woche) Ihr Leben tauschen würden?
Nein, ich möchte nicht tauschen. Selbst wenn ich auf all die Dummheiten zurücksehe, die ich gemacht habe, und auf die bisher etwa drei, vier Ären meines Lebens, die unterschiedlicher nicht hätten sein können – selbst dann gäbe es heute keine Alternative. Vielleicht, weil ich nur in manchen Nächten nach »Erlösung« giere, einem einfacheren, vielleicht auch finanziell satterem Leben. Oder einem mit mehr Bestimmungsrecht – ich hätte da einiges an der Welt zu verändern! Diese Nächte vergehen, zurück bleibt das Gefühl: Am Schluss bereut man nur das Ungetane. Ich habe mich bereits dreimal neu erfunden – oder vielmehr: wieder gefunden. Aber wie viel habe ich noch nicht getan? Da steht noch einiges auf dem Zettel, ich lebe diesen
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