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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose
Autoren: Lucinda Riley
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recht, seine Urgroßmutter verrenne sich da in etwas. Aber bei ihrem Gespräch unter vier Augen hatte Anahita Dinge über Ari gesagt, die sie eigentlich nicht wissen konnte, die ihn verunsichert hatten. Möglicherweise war doch etwas dran an ihrer Geschichte… Vielleicht würde er sich zu Hause die Zeit nehmen, einen Blick darauf zu werfen.
    Am Flughafen von Mumbai wurde er von seiner gegenwärtigen Freundin Bimbi abgeholt, obwohl es bereits nach Mitternacht war. Den Rest der Nacht verbrachte er auf höchst angenehme Weise mit ihr in seinem Apartment mit Blick auf das Arabische Meer.
    Als er am folgenden Morgen die für seinen Termin nötigen Unterlagen in die Aktentasche steckte, nahm er Anahitas Papiere heraus.
    Eines Tages werde ich Zeit haben, sie zu lesen, dachte er, legte das Manuskript in die unterste Schublade seines Schreibtischs und verließ hastig die Wohnung.

Ein Jahr später
    … Ich erinnere mich. In der Nacht erscheint schon die sanfteste Brise wie eine himmlische Erholung von der ewigen trockenen Hitze in Jaipur. Oft klettern die anderen Frauen und Kinder der zenana und ich zu den Dächern des Mondpalastes hinauf und schlafen dort …
    Wenn ich da liege und zu den Sternen hochblicke, höre ich dieses Singen und weiß, dass ein geliebter Mensch von der Erde genommen und sanft nach oben getragen wird …
    Ich schrecke aus dem Schlaf hoch und finde mich in meinem Zimmer in Darjeeling wieder, nicht auf dem Dach des Palasts in Jaipur. Es war ein Traum, versuche ich, mich ein wenig desorientiert zu beruhigen, als der Gesang in meinen Ohren nachhallt, obwohl mir klar ist, dass ich wach bin.
    Ich weiß, was das bedeutet: Gerade stirbt jemand, den ich liebe. Mein Herzschlag beschleunigt sich, ich schließe die Augenund gehe im Geist meine Familie durch, um herauszufinden, wer.
    Ohne Erfolg. Merkwürdig, denke ich, denn noch nie zuvor haben die Götter sich geirrt.
    Wer…?
    Ich atme tief durch, horche in mich hinein.
    Und plötzlich weiß ich es.
    Mein Sohn… mein geliebter Sohn.
    Tränen treten mir in die Augen. Um mich zu trösten, blicke ich durchs Fenster hinauf zum Himmel. Und sehe nur dunkle Nacht.
    Es klopft leise an der Tür, und Keva tritt mit besorgter Miene ein.
    » Madam, ich habe Sie weinen hören. Sind Sie krank? « , fragt sie, kommt zu mir und fühlt meinen Puls.
    Ich schüttle stumm den Kopf, während sie mit einem Taschentuch die Tränen von meinen Wangen wischt. » Nein « , beruhige ich sie. » Ich bin nicht krank. «
    » Was ist dann? Haben Sie schlecht geträumt? «
    » Nein. « Sie wird es nicht verstehen. » Mein Kind ist gerade gestorben. «
    Keva sieht mich entsetzt an. » Woher wissen Sie, dass Madam Muna tot ist? «
    » Nicht meine Tochter, Keva, sondern mein Sohn, den ich vor so vielen Jahren in England zurücklassen musste. Er ist einundachtzig Jahre alt geworden « , murmle ich. » Immerhin hatte er ein langes Leben. «
    Keva legt verwirrt eine Hand auf meine Stirn, um zu prüfen, ob ich Fieber habe. » Madam, Ihr Sohn ist schon lange tot. Wahrscheinlich haben Sie geträumt. «
    » Möglich « , sage ich, um sie nicht zu beunruhigen. » Notiere bitte trotzdem Datum und Stunde für mich. Diesen Augenblick möchte ich nicht vergessen. Die Zeit des Wartens ist vorüber. «
    Sie tut mir den Gefallen und gibt mir den Zettel.
    » Ich komme jetzt allein zurecht. Du kannst gehen. «
    » Sehr wohl, Madam. Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist? «
    » Ja. Gute Nacht, Keva. «
    Als sie das Zimmer verlässt, schreibe ich einen kurzen Brief. Dann hole ich die abgegriffene Sterbeurkunde meines Sohns aus der Schublade des Nachtkästchens. Morgen soll Keva beides in einen Umschlag stecken und diesen an den Anwalt schicken, der meinen Nachlass regeln wird. In dem Brief bitte ich ihn, mich anzurufen, damit ich ihm sagen kann, an wen er den Umschlag nach meinem Tod senden soll.
    Ich schließe die Augen, um zu schlafen. Plötzlich fühle ich mich hier auf Erden sehr allein, und mir wird klar, dass ich auf diesen Moment gewartet habe. Bald werde ich meinem Sohn folgen…
    Drei Tage später klopfte Keva zur üblichen Zeit an der Tür ihrer Herrin. Nicht sofort eine Antwort zu erhalten war nichts Ungewöhnliches, denn Madam Chavan döste oft bis spät in den Vormittag hinein. Also erledigte Keva eine halbe Stunde lang andere Dinge im Haushalt, bevor sie noch einmal klopfte und wieder keine Reaktion erfolgte. Das war nun allerdings ungewöhnlich. Als Keva leise die Tür öffnete, stellte sie
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