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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
Autoren: Volker Ferkau
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nächsten Frühjahr«, hört Lotte Frank sagen, womit er vermutlich erklärt, wie lange er krankgeschrieben sein wird. So lange, bis Zeige- und Mittelfinger wieder verheilt sind.
    Die Männer gruppieren sich um den Holzkohlegrill, den Frank vor ein paar Wochen gekauft hat. Diese Neuerung kommt aus Amerika, und wer was auf sich hält, hat einen. Sie fachsimpeln, wie man die Kohle am besten anzündet und wie gefährlich das mit Petroleum ist, aber genau das werden sie tun, weiß Lotte. Weil es ein Risiko birgt, und dabei werden sie lachen und sich freuen wie Pubertierende.
    Alle um den Tisch zu versammeln, wird Lotte noch nicht gelingen, zu aufgeregt sind sie, noch zu beweglich nach der langen Fahrt. Doch auch hier wird bald Ruhe einkehren, wenn man müde wird von der Reise, die erste Freude vorbei ist und der Alkohol die Beine schwer macht.
    Die Frauen setzen sich und Muttel wie immer auf die Stuhlkante, den Rücken schräg weggedreht. Wie eine Sphinx sieht sie aus, die Hände im Schoss gefaltet, das im Alter hager gewordene, nun stolz wirkende Gesicht hoch erhoben.
    Man wird vieles erfahren und Lotte ist neugierig, möchte am liebsten zu den Männern gehen, die sich bedeutend besser und zwangloser amüsieren und wo die Bierflaschen kreisen. Gut, dass sie noch zwei Kästen gebunkert hat, hinter den abgefahrenen Reifen in der Garage.
    » Seht sie euch an«, sagt Traudel. Ihr unattraktives Gesicht wirkt wie ein öliger Vollmond, davon abgesehen ist sie fünfzehn Jahre jünger als Rudi. »Sie haben ihren Spaß.«
    » Den könnten wir auch haben, wenn es was zu trinken gäbe«, sagt Muttel.
    Lotte ist erstaunt, wie schnell sie reagiert, wie sehr sie wieder Tochter ist, obwohl sie das nicht will. Sie springt auf. »Entschuldigt ...«
    » Soll ich helfen?«, fragt Gina.
    Lotte verneint. Dumme Frage. Wer helfen will, tut das, und fragt nicht, wenn die Antwort sowieso feststeht.
    Sie hat für Muttel eine Flasche „Nur Küsse schmecken besser“-Eckes Edelkirsch eingekauft und für alle Apfelkorn, der neuerdings überall getrunken wird, und zur Erfrischung Afri-Cola. Weil sie sich nicht lumpen lassen will, noch eine Flasche Asti dazu, eine Batida de Coco, und außerdem »Briiiderchen, trink ... Kosakenkaffee!«, wie es im Werbefernsehen heißt.
    Viel zu viel, aber man sollte gewappnet sein, wenn die Großstädter kommen, nicht wahr? Vermutlich werden die meisten sowieso beim Bier bleiben, was auch besser ist, denn der nächste Tag kommt gewiss, und der Kater beißt und kratzt dann nicht ganz so schlimm.
    Lotte kehrt zurück. Über dem Grill raucht es. Otto wedelt mit einer Zeitung, um die Glut anzufachen und Muttel sitzt noch immer dort, unbeweglich wie eine Skulptur. Lotte gießt ihr einen Eckes ein und Gina, Traudel und sich einen Apfelkorn, um etwas lockerer zu werden.
    Otto kommt zu ihnen. »Ah, lecker«, sagte er, schnappt sich das Gläschen, das vor Traudel steht, und leert es. Traudel starrt ihn an, doch Otto ist schon wieder weg.
    » Seitdem er die große Karriere gemacht hat«, sagt Traudel tonlos, »ist er ein arroganter Kerl geworden. Er meint, sich alles leisten und nehmen zu können.«
    Da ist sie wieder, diese unterschwellige Atmosphäre, die ein Familientreffen ausmacht, registriert Lotte. Aversionen, Unstimmigkeiten und manches Ungesagtes. Warum, liebe Güte, hat sie sich das angetan? Alle eingeladen? Und wo bleibt Ottilie?
    Das gewürzte Fleisch und die Wurst warten neben dem Grill auf einem Plastiktischchen und es zischt, als Frank einiges davon auf den Grill wirft.
    Piefke kommt zu ihnen und schnappt sich eine neue Bierflasche. Er lächelt Lotte an. »Schön, mal wieder beisammen zu sein, oder?«
    » Trink nicht so schnell«, sagt Traudel und Piefke zuckt unmerklich zusammen. Er ist nicht mehr der Mann, der selbstbewusst auf der Gitarre die Akkorde von Johnny B. Goode zupft. Warum auch immer, er respektiert seine Frau.
    » Wie geht es denn so?«, versucht Lotte ein Gespräch.
    » Seit wann trägst du Nietenhosen?«, antwortet Muttel, ohne auf die Frage einzugehen. »Meinst du, damit jünger zu wirken?« Sie schüttet sich nach.
    » Ich finde das gut«, antwortet Gina. »Heutzutage gehört man mit fünfzig nicht mehr zum alten Eisen. Man muss mit der Mode gehen. Kompliment dafür, Lotte.«
    » Mit der Mode gehen? So wie du?«, fragt Muttel.
    » So wie ich«, gibt Gina zurück. »Ich habe, wie du weißt, inzwischen acht Boutiquen in Berlin und lebe gut davon. Wenn ich noch immer in grauen Kostümen rumrennen
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