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Die Meistersinger von Nürnberg

Die Meistersinger von Nürnberg

Titel: Die Meistersinger von Nürnberg
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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lachend an die fernere Herrichtung.)
    David (nachdem er den sinnenden Ritter eine Weile betrachtet) :
Fanget an!
    Walther (verwundert) :
Was soll's?
    David (noch stärker) :
»Fanget an!« – So ruft der »Merker«.
Nun sollt Ihr singen! Wißt Ihr das nicht?
    Walther: Wer ist der Merker?
    David: Wißt Ihr das nicht? Wart Ihr noch nie bei ‘nem Sing-Gericht?
    Walther: Noch nie, wo die Richter Handwerker!
    David: Seid Ihr ein »Dichter«?
    Walther: Wär' ich's doch!
    David: Seid Ihr ein »Singer«?
    Walther: Wüßt' ich's noch!
    David: Doch »Schulfreund« wart Ihr und »Schüler« zuvor?
    Walther: Das klingt mir alles fremd vorm Ohr.
    David: Und so gradhin wollt Ihr Meister werden?
    Walther: Wie, machte das so große Beschwerden?
    David: O Lene! Lene!
    Walther: Wie Ihr doch tut!
    David: O Magdalene!
    Walther: Ratet mir gut!
    David (setzt sich in Positur) :
Mein Herr, der Singer Meister-Schlag
gewinnt sich nicht an einem Tag.
In Nüremberg der größte Meister
mich lehrt die Kunst Hans Sachs!
Schon voll ein Jahr mich unterweist er,
daß ich als Schüler wachs'.
Schuhmacherei und Poeterei,
die lern' ich da alleinerlei:
hab ich das Leder glatt geschlagen,
lern' ich Vokal und Konsonanz sagen;
wichst' ich den Draht erst fest und steif,
was sich dann reimt, ich wohl begreif!
Den Pfriemen schwingend,
im Stich die Ahl',
was stumpf, was klingend,
was Maß, was Zahl –
den Leisten im Schurz, was lang, was kurz,
was hart, was lind, hell oder blind,
was Waisen, was Milben, was Klebsilben,
was Pausen, was Körner, was Blumen, was Dörner –
das alles lernt' ich mit Sorg' und Acht.
Wie weit nun, meint Ihr, daß ich's gebracht?
    Walther: Wohl zu ‘nem Paar recht guter Schuh'?
    David: Ja, dahin hat's noch gute Ruh'!
Ein »Bar« hat manch Gesätz' und Gebänd';
wer da gleich die rechte Regel fänd',
die richt'ge Naht und den rechten Draht,
mit gutgefügten »Stollen« den Bar recht zu versohlen.
Und dann erst kommt der »Abgesang«;
daß der nicht kurz und nicht zu lang
und auch keinen Reim enthält,
der schon im Stollen gestellt.
Wer alles das merkt, weiß und kennt,
wird doch immer noch nicht »Meister« genennt.
    Walther: Hilf Gott! Will ich denn Schuster sein?
In die Singkunst lieber führ mich ein.
    David: Ja, hätt' ich's nur selbst schon zum »Singer« gebracht!
Wer glaubt wohl, was das für Mühe macht?
Der Meister Tön' und Weisen,
gar viel an Nam' und Zahl,
die starken und die leisen,
wer die wüßte allzumal!
Der »kurze«, »lang'« und »überlang'« Ton,
die »Schreibpapier«-, »Schwarz-Tinten«-Weis';
der »rote«, »blau'« und »grüne« Ton;
die »Hageblüh«-, »Strohhalm«-, »Fengel«-Weis';
der »zarte«, der »süße«, der »Rosen«-Ton;
der »kurzen Liebe«, der »vergeßne« Ton;
die »Rosmarin«-, »Gelbveiglein«-Weis',
die »Regenbogen«-, die »Nachtigall«-Weis',
die »englische Zinn«-, die »Zimmtröhren«-Weis',
»frisch' Pomeranzen«-, »grün' Lindenblüh«-Weis',
die »Frösch'«-, die »Kälber«-, die »Stieglitz«-Weis',
die »abgeschiedene Vielfraß«-Weis';
der »Lerchen«-, der »Schnecken«-, der »Beller«-Ton,
die »Melissenblümlein«-, die »Meiran«-Weis',
»Gelblöwenhaut«-, (gefühlvoll) »treu' Pelikan«-Weis',
(prunkend) die »buttglänzende Draht«-Weis' ...
    Walther: Hilf Himmel! Welch endlos Tönegeleis'!
    David: Das sind nur die Namen:
nun lernt sie singen,
recht, wie die Meister sie gestellt!
Jed' Wort und Ton muß klärlich klingen,
wo steigt die Stimm' und wo sie fällt;
fangt nicht zu hoch, zu tief nicht an,
als es die Stimm' erreichen kann;
mit dem Atem spart, daß er nicht knappt
und gar am End' Ihr überschnappt;
vor dem Wort mit der Stimme ja nicht summt,
nach dem Wort mit dem Mund auch nicht brummt.
Nicht ändert an »Blum'« und »Koloratur«,
jed' Zierat fest nach des Meisters Spur.
Verwechseltet Ihr, würdet gar irr',
verlört Ihr Euch und kämt ins Gewirr:
wär' sonst Euch alles auch gelungen,
da hättet Ihr gar »versungen!«
Trotz großem Fleiß und Emsigkeit
ich selbst noch bracht' es nicht so weit.
So oft ich's versuch' und ‘s nicht gelingt,
die »Knieriem-Schlag«-Weis' der Meister mir singt.
(Sanft) Wenn dann Jungfer Lene nicht Hilfe weiß,
(greinend) sing' ich die »eitel Brot- und Wasser«-Weis'!
Nehmt Euch ein Beispiel dran
und laßt vom Meister-Wahn!
Denn »Singer« und »Dichter« müßt Ihr sein,
eh' Ihr zum »Meister« kehret ein.
    Vier Lehrbuben (während der Arbeit) :
David!
    Walther: Wer ist nun Dichter?
    Vier Lehrbuben: David! Kommst
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