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Die Mehrbegabten

Die Mehrbegabten

Titel: Die Mehrbegabten
Autoren: Philip K. Dick
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Taste. »Lesen Sie mein Buch.« Er kramte in seinen Taschen und zog ein abgegriffenes Taschenbuch mit zerknitterten Seiten und Flecken heraus; der Umschlag war zerrissen. Er hielt ihr den Band hin.
    »Guter Gott, ich will es nicht«, sagte Kleo angewidert.
    »Nehmen Sie es. Lesen Sie und begreifen Sie, was wir tun müssen, um uns von der Tyrannei der Neuen und Außergewöhnlichen zu befreien, die unser Leben zerstört, die alles zum Gespött macht, was der Mensch zu tun versucht.« Er blätterte in dem schmierigen, halb zerfetzten Band, suchte nach einer bestimmten Seite. »Kann ich jetzt eine Tasse Kaffee haben? « fragte er schließlich. »Ich kann den betreffenden Absatz nicht finden; es dauert eine Weile.«
    Sie überlegte kurz, dann ging sie zur Kochnische, um Wasser für den Ersatz-Pulverkaffee heiß zu machen.
    »Sie können fünf Minuten bleiben«, sagte sie. »Aber wenn Nick bis dahin nicht zurück ist, müssen Sie gehen.«
    »Haben Sie Angst, hier mit mir erwischt zu werden?« erkundigte sich Shire.
    »Ich… ich merke nur, daß ich mich verkrampfe«, sagte sie. Weil ich weiß, was du bist,
    dachte sie. Und ich habe solche verbogenen zerfledderten Bücher bereits gesehen, wie sie hier und dort in schmutzigen Rocktaschen getragen und verstohlen weitergereicht wurden. »Sie sind Mitglied von RID«, sagte sie.
    Shire grinste schief. »RID ist zu passiv. Die Leute wollen sich mit der Wahlurne durchsetzen.« Er hatte die Seite gefunden, die er meinte, schien aber nun zu müde zu sein, um sie ihr zu zeigen; er stand einfach da und hielt sein Buch fest. »Ich habe zwei Jahre in einem Staatsgefängnis verbracht«, sagte er nach einer Pause. »Geben Sie mir Kaffee, dann gehe ich. Ich werde nicht auf Nick warten. Wahrscheinlich kann er ohnehin nichts für mich tun.«
    »Was dachten Sie, daß er tun könnte? Nick arbeitet nicht für den Staat, er hat keinerlei – «
    »Das ist es nicht, was ich brauche. Ich bin legal in Freiheit, ich habe meine Zeit abgesessen. Könnte ich hier bleiben? Ich habe kein Geld und keine Unterkunft. Ich habe an alle gedacht, die mir vielleicht helfen könnten, und schließlich kam ich auf Nick.«
    Er ließ sich die Tasse geben und reichte ihr das Buch. »Danke«, sagte er, während er gierig schlürfte. »Wissen Sie«, sagte er und wischte sich den Mund, »daß das ganze Machtgefüge auf diesem Planeten durch Verrottung zerfallen wird? Durch innere Verrottung… eines Tages genügt ein ganz kleiner Stoß. Ein paar Schlüsselfiguren – Alte Menschen – hier und dort, sowohl innerhalb wie außerhalb des Beamtenapparats, und – « Er machte eine heftige Handbewegung. »Steht alles in meinem Buch. Behalten und lesen Sie es; lesen Sie, wie die Neuen Menschen und die Außergewöhnlichen uns manipulieren, weil sie die Massenmedien in der Hand haben und – «
    »Sie sind wahnsinnig«, sagte Kleo.
    »Nicht mehr.« Shire schüttelte den Kopf, und seine rattenhaften Züge verzerrten sich in wilder Zurückweisung ihrer Worte. »Als man mich vor drei Jahren festnahm, war ich klinisch und juristisch geisteskrank – Paranoia, hieß es – aber bevor man mich freilassen wollte, mußte ich weitere psychiatrische Untersuchungen über mich ergehen lassen, und jetzt kann ich beweisen, daß ich normal bin.« Wieder kramte er in seinen vielen Taschen. »Ich habe sogar die amtlichen Bescheinigungen dabei, ich nehme sie immer mit.«
    »Man sollte Sie noch einmal untersuchen«, sagte Kleo. Mein Gott, dachte sie. Kommt Nick denn gar nicht mehr nach Haus?
    »Die Regierung plant ein Programm zur Sterilisierung aller männlichen Alten Menschen«, sagte Shire. »Haben Sie das gewußt?«
    »Ich glaube Ihnen nicht.« Sie hatte viele solche Gerüchte gehört, aber keines davon – oder doch kaum eines – hatte sich als wahr herausgestellt. »Das sagen Sie nur, um Gewalt zu rechtfertigen, Ihre eigenen ungesetzlichen Handlungen«, erklärte sie.
    »Wir haben eine Fotokopie des Gesetzestextes; er ist schon von siebzehn Ratsmitgliedern unterschrieben, siebzehn von insgesamt – «
    Das Fernsehgerät schaltete sich ein und sagte: »Eine Meldung. Vorauseinheiten der Dritten Armee berichten, daß Grauer Dinosaurier – das Schiff, mit dem Bürger Thors Provoni das Sonnensystem verlassen hat – entdeckt worden ist. Es umkreist Proxima ohne erkennbare Lebenszeichen. Zur Zeit sind Schlepper der Dritten Armee damit beschäftigt, das anscheinend verlassene Raumschiff einzuholen, und man nimmt an, daß Provonis Leiche im Laufe
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