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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau
Autoren: Emily Carmichael
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galoppierten die drei etwa zehn Minuten dahin, und Will hörte die Hufschläge der Verfolger. Das Gelände war zu offen, um drei Reiter zu verbergen, und im Beisein der Mädchen konnte er nicht einmal das Feuer auf die Verfolger eröffnen. Sie zügelten die Pferde und blickten den Weg nach hinten.
    »Katy, gib mir die Flinte und reite mit Ellen zurück in die Stadt. Ich werde mir den Weg freischießen.«
    »Nein, Pa. Ich weiß einen Ausweg. Komm.«
    Will verfluchte den Tag, an dem Minnie ihm Töchter schenkte, und er verfluchte sich selbst, ihnen beigebracht zu haben, wie Männer zu denken und zu handeln. Das Gelände wurde unwegsamer, die Verfolger rückten rasch näher. Katy lenkte ihr Pferd in einen Bach, der sich durch eine enge, mit Gestrüpp überwucherte Schlucht wand.
    »Hier lang, Pa. Seit du im Gefängnis sitzt, habe ich die Gegend ausgekundschaftet. Die Witwe Casey glaubte, ich sitze Trübsal blasend in meinem Zimmer wie Ellen, aber ich dachte mir, Ma würde von uns etwas anderes erwarten, als heulend herumzusitzen und abzuwarten, bis man dir den Hals langzieht.«
    Die Schlucht verengte sich. Sollte der Einschnitt plötzlich enden, gab es kein Entrinnen mehr. Die Hufschläge der Verfolger waren lauter geworden.
    »Da sind wir.«
    Die Schlucht endete an einem etwa drei Meter hohen Wasserfall. Das ausgewaschene Wasserloch darunter mochte tief genug sein, um den Sturz von Pferd und Reiter aufzufangen. Erst jetzt realisierte Will die Möglichkeit einer Rettung vor der Henkersschlinge. Es war zu bezweifeln, daß Marshal Kale oder einer seiner Leute so versessen darauf war, seiner habhaft zu werden, um den Sprung zu wagen. Katy warf Will einen zufriedenen Blick zu.
    Ellen spähte über den Rand der Schlucht. »Katy! Das kann nicht dein Ernst sein!«
    »Das ist gar nicht so tief.«
    »Es ist unmöglich!«
    Will unterbrach die Debatte. »Ihr Mädchen reitet mit den Männern in die Stadt zurück. Der Marhal ist keiner, der seinen Zorn an zehnjährigen Kindern ausläßt. Ich hole euch, sobald ich kann.«
    »Klar, Pa.«
    Bei der Witwe Casey waren sie besser aufgehoben als bei ihm, auch wenn Katy der alten Dame auf der Nase herumtanzte. Die Witwe war wohlhabend, liebte die Mädchen und würde sie beschützen. Sobald Will sich einen Plan zurechtgelegt hatte, wie er mit Ace Candliss abrechnen würde, konnte er seine Familie zu sich holen.
    Wenn er aber noch länger seinen Gedanken nachhing, war seine letzte Chance verpaßt. Er straffte die Schultern und bohrte dem Pferd die Stiefelabsätze in die Flanken. Die Stute machte einen erschrockenen Satz. Wills Magen stieg ihm bis zur Kehle, als er ins Leere sprang. Der Fall schien eine Ewigkeit zu dauern. Pferd und Reiter schlugen hart auf. Will wurde aus dem Sattel gerissen. Durch aufgewirbelte Wassermassen sah er verschwommen strampelnde Pferdehufe, die sich vom Grund abstießen und nach oben kämpften. Prustend tauchte er auf, im selben Moment sprang Ellen.
    »Verdammte Scheiße!« stieß er hervor. Ellen tauchte auf und japste wütende Beschuldigungen.
    »Katy hat mein Pferd mit einem Stock geschlagen!«
    »Aus dem Weg!« schrie Katy von oben. »Ich komme!«
    Eine endlose Kette irischer Flüche schoß Will durch den Kopf, als er seine Töchter aus dem aufgewühlten, schäumenden Wasser zog. Die drei Pferde warteten schnaubend und triefend am Ufer.
    »Hab’ ich nicht gesagt, daß ich einen Weg weiß?« grinste Katy.
     
    »Was hältst du davon?«
    »Gar nichts halte ich davon«, blaffte Marshal Kale seinen Deputy an. »Wenn Ace Candliss denkt, ich riskiere meinen Hals, um diesen Satan einzufangen, hat er sich geschnitten.«
    Die übrigen Männer zügelten ihre Pferde am Rand des Wasserfalls und blickten fassungslos in die Tiefe auf den Iren und seine zwei Halbblutbälger, die ihre Pferde am schmalen Bachufer entlangführten.
    »Wenn das nicht die Höhe ist«, stammelte Abe Harper.
    »Für mich schon.« Damit wandte Kale sein Pferd auf dem Weg um, den sie gekommen waren. »Candliss soll seine Dreckarbeit alleine machen.«

Kapitel 1
Elkhorn, Montana
November 1889
    »Nun, Margret, ich weiß einfach nicht, welchen Rat ich dir geben soll. Es ist eine vertrackte Sache. Wer denkt schon, in einem so abgeschiedenen Ort wie Elkhorn auf ein derart heikles gesellschaftliches Problem zu stoßen? Ich will damit sagen, wir wissen mit ungehobelten Minenarbeitern, Goldsuchern, Spielern und lockeren Frauen umzugehen, die diese Stadt bewohnen. Aber wie reagiert man auf eine Frau wie Olivia
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