Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
sich dann, vielleicht hört sie dann auf, daran zu denken und darüber zu reden, und alles ist in Ordnung. Nachts kommt sie vielleicht in euer Zimmer; es könnte sein, daß ihr aufwacht, und sie beugt sich über euch. Aber sie wird euch nichts tun. In gewisser Weise habt ihr ja die Oberhand.«
    »Inwiefern?« wollte Michael wissen.
    »Wenn sie nicht alles macht, was wir ihr sagen, dann erzählt ihr ihr nie, wo der Mann ist. So einfach ist das.«
    »Ja, es ist ein Mittel, um sie zu beherrschen«, sagte Rowan.
    »Aber wer ist er denn?« fragte Mona.
    Rowan drehte sich um, als wolle sie sich vergewissern, daß sie die Frage auch richtig gehört hatte.
    Dolly Jean hatte den Kopf sinken lassen und gab plötzlich ein erschreckendes Aufschnarchen von sich.
    »Wer ist der Mann?« Mona blieb beharrlich; ihre Lider waren vor Erschöpfung auf halbmast, und ihr Blick wirkte leicht gehetzt.
    »Und wenn ich es dir sage?« fragte Rowan. »Du müßtest es vor ihr geheimhalten. Laß uns in diesem Punkt die Stärkeren sein. Vertraue uns.«
    »Mutter!« rief Morrigan. Ein Walzer hatte begonnen, Richard Strauss, Geigen, eine dieser wunderbaren Platten, die man sich den Rest seines Lebens anhören könnte. Er hätte sie gern tanzen gesehen, aber dann auch wieder nicht.
    »Weiß der Wachdienst, daß sie nicht hinaus darf?« fragte Michael.
    »Na ja, nicht so richtig«, sagte Mona. »Wißt ihr, es wäre einfacher, wenn ihr die Leute wegschicken würdet. Sie… sie bringt sie durcheinander. Ich habe sie besser im Griff, wenn die Leute weg sind. Sie wird nicht weglaufen, nicht ihrer Mutter.«
    »Ja«, sagte Rowan. »Wir werden den Wachdienst entlassen.« Michael war unsicher.
    Aber dann nickte er. »Wir stecken da… zusammen drin.« Wieder rief Morrigan. Die Musik schwoll an. Mona wandte sich langsam ab und ließ sie allein.
    Spät in der Nacht hörte er sie immer noch lachen, und dann und wann erklang die Musik, oder träumte er von Stuart Gordons Turm? Schließlich das Geklapper der Computertasten und dieses Lachen, und das weiche Tappen ihrer laufenden Füße auf der Treppe. Und ein Gewirr von Stimmen, jung und hoch und sehr süß, die dieses Lied sangen.
    Wieso versuchen zu schlafen? Doch dann war er weg, zu müde, zu bedürftig der Ruhe und der Flucht, zu begierig danach, die baumwollenen Laken zu spüren und Rowans warmen Körper an dem seinen. Bete, bete für sie. Bete für Mona, bete für sie alle…
    »Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme…«
    Er riß die Augen weit auf. »Dein Reich komme. Nein.« Die plötzliche Verzweiflung war zu gewaltig und doch nicht faßbar. Er war zu müde. »Dein Reich komme.« Er konnte es nicht zu Ende denken. Er drehte sich um und vergrub das Gesicht in der Beuge zwischen Rowans warmem Hals und ihrer Schulter.
    »Ich liebe dich«, flüsterte sie, ein gemurmeltes Gebet aus den Tiefen des Schlafes vielleicht, tröstlicher, als sein eigenes Gebet gewesen war.

 
34

    Die saubere Monotonie aus Schnee, endlosen Konferenzen, Telefonaten, Faxblättern voller Statistiken und Zusammenfassungen, aus dem Geschäft des Lebens, das er selbst geschaffen hatte mit seinem Griff nach Gold und Träumen.
    Am Mittag ließ er den Kopf auf den Schreibtisch sinken. Volle fünf Tage war es her, daß Rowan und Michael nach Hause gefahren waren, und sie hatten ihn nicht angerufen, ihm nicht einmal eine Zeile geschrieben. Und jetzt fragte er sich, ob seine Geschenke sie traurig gemacht hatten oder falsch gewesen waren, oder ob sie ihn nur verdrängten, wie er versucht hatte, die Erinnerung an Tessa zu verdrängen, an Gordon, wie er tot auf dem Boden lag, an Yuri, wie er händeringend stammelte, an den kalten Winter im Glen und das Gejohle von Aiken Drumm.
    Was suchen wir? Was brauchen wir? Wie können wir wissen, was uns glücklich machen wird? Es war eine Kleinigkeit, den Telefonhörer abzunehmen, Rowan und Michael anzurufen und sie zu fragen, ob es ihnen gut ging und ob sie sich von der Reise erholt hätten.
    Und wenn ihre Stimmen dann spröde und gleichgültig klangen und er mit dem Hörer in der Hand dasaß, die Leitung tot nach ein paar gleichgültigen Abschiedsworten? Nein, das wäre schlimmer als gar nichts.
    Oder, zutreffender gesagt, es wäre nicht das, was er wollte.
    Einfach hinfahren. Sie nur sehen. Ohne den Kopf zu heben, drückte er auf den Knopf. Das Flugzeug bereitmachen. Fortfliegen aus der Stadt der bitteren Kälte, in das verlorene Land der Liebe. Sie nur ansehen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher