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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission
Autoren: Bernd Sieberichs
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einer kranken Fährtensucherin.
    Dr. Daria Delfonte schlüpfte gähnend in ihr Batikkleid. Mit einem Zischen glitt die hydraulische Tür beiseite.
    Tony Larkins, der New Yorker Finanzminister ihrer gemeinsamen Firma Larkins & Delfonte Research , schob einen Schwall von Nässe wie eine Bugwelle vor seinem mächtigen Leib in das klimatisierte Innere des Grabungszeltes hinein und hielt sich wie üblich nicht mit Etikette oder ähnlich altmodischen Verhaltensweisen auf.
    " Hi, Dee!"
    Für Darias deutsche Ohren klang das wie 'Heidi'.
    " Will dich nicht erschrecken. Gibt Neuigkeiten. Erstens: Vor deinem gottverdammten Goretex-Palast ist ein weißer Rabe gecrasht. Zweitens: Das Wasser steigt stündlich. Die Wetterfrösche sagen, dass der Pegel jede Stunde um mindestens 20 Zentimeter steigt. Nach meiner Rechnung hast du noch 17, 18 Stunden. Dann saufen wir ab. Drittens: Wer der nächste Antichrist wird ist mir scheißegal. Aber Kautsky, der gottverdammte Geldsack, der will unserem 'Maya-Midgard-Projekt' den Hahn zudrehen. Hab gerade ne frische Mail bekommen. Spielberg und die Shoah-Leute haben ihm einen Floh ins Ohr gesetzt. Zwei gottverdammte Pyramiden im scheiß gottverdammten Bermuda-Dreieck. Und zwei weitere in der scheißschmelzenden Antarktis. Es gibt schon Sonar-Scans und Luftbilder. Viertens: Wen interessiert da noch ein gottverdammter halbverfaulter Wikinger in einem gottverdammten Hügelgrab am beschissenen Arsch der Welt. Hau rein, Dee, 17 Stunden! Sonst wars das für uns! Maya-Midgard ab nach Walhalla!" Larkins schwang sein Handy wie ein Fallbeil und haute es auf seine linke Handfläche. "Time is money, Baby!"
    Wassertropfen perlten über seinen kahlen Schädel. Der offenen Gr ube schenkte er genauso wenig Beachtung wie Daria Delfontes Reaktion auf seine Hiobsbotschaften. Ehe sie die Chance auf eine Erwiderung bekam, war ihr Sklaventreiber bereits abgerauscht.
    ' Hügelgrab', hatte Tony gesagt, und es genauso abfällig gemeint. Das 'Hügelgrab' war ein mindestens 1500 Jahre alter Maya-Tempel im yukatekischen Unterholz, den die Vegetation seit dem 10. Jahrhundert nach Christus zurück erobert hatte. Nach den architektonischen Merkmalen zu schließen, könnte es sich um einen Neunstufentempel handeln. Die Leiche, deren Scheitelbein Daria Delfonte vor drei Stunden im fahlen Morgenlicht freigelegt hatte, musste im Stehen bestattet worden sein und befand sich in der 8. Ebene.
     
     
    ***

2
DER EXODUS I
TOXTLIPAN, YUKATAN, 9.16.16.1.9 (13. März 767 A.D.)
     
    Manche Menschen haben neun Leben. Demnach sterben sie viele Tode.
    Kabyum Kin lebte und war doch schon ungezählte Tode gestorben. Der Zyklus Leben-Tod-Leben barg nichts Unbekanntes und machte ihm daher auch keine Angst. Er war ein Maya – ein ist'at , ein Schriftkundiger, ein Wissender – und hatte keinen Grund, an seiner Väter Glauben zu zweifeln. Wie jeder Tag der Nacht und selbst die Sechste Sonne der Vierten folgen würde, so kehrte jeder Mensch wieder, so gedieh Leben nach dem Tod und Tod aus dem Leben. Kabyum Kin fürchtete sich also nicht vor seinem Tod. Manches Mal sehnte er ihn geradezu herbei; obwohl er natürlich wusste, dass Leben und Tod schon deshalb kostbar waren, weil sie einander bedingten.
    Kabyum Kin trauerte. Er hatte seine Kinder sterben sehen. Und seine Frau. Für einen Mann, dem die Liebe das Leben – dieses Leben - b edeutete und das Leben die Liebe, war das schlimmer, unendlich viel schmerzhafter als der eigene Tod.
    Als Kabyum Kin in der tiefsten Nacht Tox tlipan als Anführer einer Gruppe Gleichgesinnter für immer verließ, fühlte er sich sterbens-elend. Der Regen durchnässte seinen baumwollenen Umhang. Wasser rann sein Rückgrat hinab. Kabyum Kin fröstelte. Es schien, als wolle der endlose Regen die Menschen verhöhnen. Zuerst hatten sie ihn freudig begrüßt: Das süße Wasser war ein Segen für das verdorrte Land und seine dürstenden Bewohner. Eine fünfjährige Dürrezeit, während der nicht ein Tropfen Wasser vom Himmel gefallen war, hatte das kräftige Grün des Tieflands in ein blasses Gelb verwandelt, die Bäume entlaubt, die Wasserbecken ausgetrocknet, die Menschen geschwächt und krankgemacht, die Städte entvölkert und Kabyum Kin, den Baumeister, um seine Arbeit gebracht. Als schließlich die dicken Tropfen das nie gekannte Darben beendet hatten, feierten die Mayas im Tiefland ein rauschendes Regenritual.
    Jetzt rauschte nur noch der Regen und erfüllte die Luft mit seinem gleichtonigen Gesang, dass selbst die
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