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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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einer ganz neuen Perspektive.
     
     
    Heilen
     
    Heilen, das heißt die zerstreuten Teile wieder miteinander verknüpfen zu können, den Kreis zu schließen. Eine Psychotherapie muß dem Opfer ermöglichen, sich bewußt zu werden, daß es nicht auf seine Stellung als Opfer beschränkt ist. Wenn es sich seiner Stärken bedient, weicht der masochistische Teil ganz von selbst, der es vielleicht noch unter dem beherrschenden Einfluß festhält. Für Paul Ricoeur 45 beginnt die Arbeit der Genesung im Bereich des Gedächtnisses und setzt sich fort in dem des Vergessens. Wie er sagt, ist es möglich, an zuviel Gedächtnis zu leiden und von der Erinnerung an die erlittene Demütigung heimgesucht zu werden oder, im Gegenteil, an Gedächtnismangel zu leiden und so seine eigene Vergangenheit zu fliehen.
    Der Patient muß sein Leiden als einen Teil seiner selbst anerkennen, der Achtung verdient und es ermöglichen wird, eine Zukunft zu entwerfen. Er muß den Mut aufbringen, seiner Verantwortung ins Auge zu blicken. Dann wird er aufhören können zu klagen oder seinen krankhaften Zustand sich selbst zu verhehlen.
    Die Entwicklung der Opfer, die sich vom beherrschenden Einfluß befreien, zeigt deutlich, daß es sich hier nicht um Masochismus handelt; denn sehr häufig dient diese schmerzliche Erfahrung als Lehre: Die Opfer lernen, ihre Autonomie zu schützen, mündliche Gewalt zu meiden, Angriffe auf ihre Selbstachtung zurückzuweisen. Die Person ist nicht «global» masochistisch, sondern der Perverse hat sie gefesselt aufgrund ihrer schwachen Stelle, die unter Umständen eine masochistische sein kann. Wenn ein Psychotherapeut einem Opfer sagt, es finde Gefallen an seinem Leid, übergeht er das Beziehungsproblem. Wir sind keine isolierte seelische Struktur, wir sind ein Geflecht von Beziehungen.
    Das erlebte Trauma schließt eine Neustrukturierung der Persönlichkeit und eine abweichende Beziehung zur Umwelt mit ein. Es hinterläßt eine Spur, die sich nicht auslöschen läßt, aber auf der es möglich ist, wieder aufzubauen. Diese schmerzliche Lebenserfahrung ist häufig die Gelegenheit zu einem persönlichem Neuaufschwung. Man geht gestärkt daraus hervor, weniger naiv. Man kann beschließen, von nun an geachtet zu werden. Das menschliche Wesen, das grausam behandelt wurde, kann aus der Erkenntnis seiner Ohnmacht neue Kräfte für die Zukunft schöpfen. Ferenczi bemerkt, daß äußerste Not plötzlich latente Anlagen wachrufen kann. Dort, wo der Perverse Leere hatte walten lassen, kann ein Zuströmen von Energie einsetzen, wie Luftzufuhr beim Ofen: «Verstand entsteht nicht einfach aus gewöhnlichen Leiden, sondern nur aus traumatischen Leiden. Er wird zum sekundärem Phänomen oder zum Versuch der Kompensation bei totaler psychischer Lähmung.» 46 Die Aggression nimmt in diesem Fall die Bedeutung einer «Initiationsprüfung» an. Die Heilung könnte darin bestehen, dieses traumatische Ereignis zu integrieren als strukturierendes Vorkommnis im Leben, das es ermöglicht, ein verdrängtes emotionales Wissen wiederzufinden.
     
     
    Die verschiedenen Psychotherapien
     
    Die Anzahl und die Mannigfaltigkeit der Psychotherapien macht die Auswahl einer therapeutischen Methode nicht leicht. In Frankreich nehmen die psychoanalytischen Therapien eine deutliche Vormachtstellung ein und stellen andere Methoden, die vielleicht besser geeignet wären, die Versorgung der Opfer sofort zu übernehmen, in den Schatten. Das liegt daran, daß die Psychoanalyse es verstanden hat, ein theoretisches Gerüst durchzusetzen, das sich überall in der Kulturwelt als allgemeines Referenzsystem ausgebreitet hat.
     
     
    Die kognitiven Verhaltenspsychotherapien
     
    Das Ziel der kognitiven Verhaltenstherapien ist es, Symptome und pathologische Verhaltensweisen zu modifizieren, ohne den Versuch zu unternehmen, auf die Persönlichkeit und die Motivationen einzuwirken.
    Eine erste Intervention geschieht auf der Ebene des «Stresses». Mit Hilfe von Entspannungstechniken lernt der Patient, seine körperliche Anspannung, seine Schlafstörungen und seine innere Unruhe zu verringern. Diese ersten Versuche sind überaus nützlich in Situationen des Quälens am Arbeitsplatz, wenn die Person noch in der Lage ist, sich zu wehren. Sie kann so die körperliche Wirkung des Stresses abschwächen, indem sie zum Beispiel lernt, einen Wutausbruch zu beherrschen durch Entspannen und Atemkontrolle.
    Eine andere verhaltenstherapeutische Methode vermittelt Techniken der
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