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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau
Autoren: Alexander Kröger
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nicht vorstellen, dass man diesen
dornenbesetzten Berberitzen, deren Namen er sich mit Mühe
gemerkt hatte, irgend etwas abgewinnen konnte.
„Ist der Kurier schon durch?“, fragte Mac. Er nestelte dabei
an seinem linken Stiefel herum; die Frage klang betont
gleichgültig.
Alexe) grinste unverhohlen. Er wusste nur zu gut, wie sehr
Mac auf die Videogramme seiner Kim lauerte, wie er bis zum
Eintreffen des aktuellsten die vorhergehenden wieder und
wieder abspielte, aber immer in den Stunden, in denen er allein
war. Meist schaltete er schnell ab, wenn Alexej sich der Station
näherte. Nur manchmal, dann, wenn Mac dachte, es sei etwas
Allgemeines, was Kim berichtete, durfte Alexej die Nachricht,
die nun bereits eine Woche alt war, miterleben, was er nicht
gerade erhebend fand, aber das sagte er dem Gefährten nicht.
Freilich, Kim war hübsch, und sie verstand es, zärtlich in ihre
Kamera zu blicken. Oft sickerten jedoch in die Schilderungen
von Begebenheiten Kose- oder Kodewörter und Andeutungen
– nur für die Partner bestimmt – ein, und das empfand Alexej
stets als ein wenig peinlich. Allerdings, so gestand er sich ein,
je länger sie auf diesem Posten saßen, desto mehr hatte er sich
an die Berichte Kims gewöhnt, desto weniger wollte er auf
dieses Aktuell-Irdische verzichten. Es unterschied sich
wohltuend von den sachlichen Nachrichten, die ihnen offiziell
überspielt wurden.
Kim berichtete aus ihrem Erleben, gefärbt durch ihre
Emotionen. Sie wirkte intelligent und anpassungsfähig, ihr
Selbstbewusstsein war gepaart mit Zurückhaltung
– ein
Mensch also wie 1000 andere, einer, der in die Normen passte,
der sie einhielt, eine Frau aber auch, deren Meinung man
achtete, die, das spürte man, ihren Platz fest innehatte im Team
des Observatoriums, in dem sie arbeitete. So erfuhren Mac und
Alexej irdische Begebenheiten durch einen Menschen, der sich
im Alltag auf der Erde befand, und das gewann zunehmend an
Wert.
Immer öfter empfand Alexej, mehr unterschwellig und
eigentlich nicht gewollt, dass es durchaus etwas Großartiges
sein konnte, so wie Mac mit einem Menschen und damit mit
der Erde verbunden zu sein. Er schob dieses unbestimmte
Sehnen auf die Langeweile, die nervenlähmende Tätigkeit, auf
das engräumige Zusammenhocken mit dem zwar sehr
verträglichen – es hatte niemals ernsthaften Zwist gegeben –,
aber eben nicht viel mehr als verträglichen Mac. Sie waren in
ihren Ansprüchen, in ihren Plänen so verschieden, dass sich
kaum gemeinsame Interessen ergaben, von einer Freundschaft
ganz zu schweigen. Was sie zusammengeführt hatte auf dieser
gottverlassenen Station, war die Notwendigkeit, das
verdammte Konditionstraining abzuleisten. Tja, Mac brauchte
das wirklich. Als künftiger Leiter eines durchaus
vergleichbaren Observatoriums in den Rocky Mountains
musste man wohl solche Kondition haben. Alexej lächelte halb
anerkennend, halb geringschätzig. ,Und ich brauche diese
Qualifikationsstufe, weil sie für viele Tätigkeiten notwendig
ist, für einen längeren Aufenthalt in einer Raumstation ebenso
wie für die Arbeit als Pilot eines interplanetaren Schiffes oder
eines Bathyskaphen.’
Alexej schauderte es jedes Mal, versetzte er sich an Macs
Stelle, um in einem „lieblichen“ Tal – wie Mac schwärmte –
der Rockys zu siedeln, dort Blumen oder gar Gemüse zu
züchten, eine Schar Kinder zu zeugen und tagaus, tagein den
gleichen Dienst zu verrichten. Aber Glück hatte er, der gute
Mac. Eine Gefährtin zu finden, die so etwas mitmacht, ja,
selbst ähnliche Ambitionen zu haben scheint, lebenslang,
weitab vom Puls…
Wieder spürte Alexej jene Sehnsucht, und einen Augenblick
wurde ihm bewusst, dass er in den anderthalb Jahren, die sie
bereits hier am Roten Felsen verlebten, kein einziges
persönliches Videogramm erhalten hatte, dass sich
seinetwegen kein Mensch der Mühe unterzog, eine halbe
Stunde konzentriert in eine Kamera zu sprechen oder gar, wie
Kim das tat, noch andere Neuigkeiten einzuschneiden. Die
Bekannten, die Mitschüler – meine Güte! Wer weiß, wie viele
sich zu solchen Macs entwickelt haben. Sie haben den eigen
willigen Alexej, der meist mehr oder anders wollte als viele,
vergessen, wie solche Menschen oft vergessen werden. Warum
eigentlich? Überdeckt das Sichheraushebenwollen Schwächen?
Schwächen, die Menschen liebenswert machen, die
gravierender sind als Leistung? Kann man so nicht Wärme
ausstrahlen, die andere spüren?
„Na, Aljoscha, doch schlecht
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