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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman
Autoren: Konrad Hansen
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deutete auf eine flache Mulde unterhalb der Hügelkuppe. »Dort ist es besser vor dem Westwind geschützt. Und wenn du aus der Tür schaust«, wandte er sich an Vigdis, »kannst du den ganzen Hof überblicken.«
    »Dazu wird es nicht kommen«, antwortete Vigdis, die mehr als alles andere verdroß, daß Bosi ihre Tränen sah. »Denn wenn das neue Haus fertig ist, werde ich nicht mehr am Leben sein.« Sie blickte zu Gudrid hinüber, deren Bauch in den letzten Wochen einen Umfang angenommen hatte, wie er mit Gefräßigkeit allein nicht erlangt werden konnte: »Aber freu dich nicht zu früh; es kann sein, daß ich keine Ruhe finde.«
    Den Winter über kamen sie bei einem Bauern im Dorf unter, der wie Bosi aus Schonen stammte. Während der Schneesturm um das Haus heulte, saßen sie am Herdfeuer, und der Bauer erzählte von Männern, die vor ihnen Schonen verlassen hatten und nach Westen über das Meer gefahren waren. Einer von ihnen, KönigOlov, hätte die Stadt am Ende der Förde erobert, und nach ihm hätten dort seine Söhne Knuba und Gyrd und sein Enkel Sigtrygg geherrscht. Nun aber seien sie vom Dänenkönig Gorm vertrieben worden.

3
    VIGDIS SOLLTE RECHT BEHALTEN: An dem Tag, als Bosi die Runen in den Türbalken des neuen Wohnhauses ritzte, starb sie. Bosi begrub sie mit allem, was ihr an Schmuck und Kleidung gehörte, er versah sie in solcher Fülle mit Nahrung und Getränken, daß es für viele Tagereisen reichte, und häufte alle Steine auf ihre Grabkammer, die er in der Umgebung des Hofes finden konnte. Es wurde der größte Grabhügel weit und breit, den Bosi für Vigdis errichtete, und die Leute im Dorf gelangten, nachdem sie lange darüber gesprochen hatten, zu der Meinung, daß dies wohl die Art sei, wie sich bei einem wortkargen Mann Überheblichkeit äußere.
    Drei Wochen, nachdem Bosi seine Frau begraben hatte, trat ein, was er insgeheim befürchtet zu haben schien: Vigdis machte ihre Drohung wahr. Mitten in einer windstillen Nacht brach ein Sturm los, der die Tür aus den Angeln riß und die Herdasche emporwirbelte. Als Bosi aus dem Bett sprang, spürte er, wie jemand ihn packte und gegen die Wand schleuderte. Gudrid wurde mit heißem Wasser übergossen; schreiend lief sie ins Freie, wo sie sich nur mit Mühe dagegen wehren konnte, in den Brunnen gestoßen zu werden.
    Aber es sollte noch schlimmer kommen. In der nächsten Nacht setzte sich jemand mit solcher Wucht auf das Dach, daß das Haus zusammenzubrechen drohte. Bosi sah, wie die Pfosten sich bogen und zu splittern begannen. Er weckte Tryn, der als einziger festgeschlafen hatte, und sagte: »Da sitzt einer auf dem Dach, der sich mit einem Berserker messen möchte, Sohn.« Tryn nahm seine Axt und lief aus dem Haus. Für einen Augenblick trat Ruhe ein. Dann war ein Schrei zu hören, der den atemlos Lauschenden durch Mark und Bein drang. Nachdem das Echo des Schreies im Wald verhallt war, setzte ein Getöse ein, von dem Ubbe noch auf dem Sterbebett erzählte, daß es sich angehört habe, als ob zwei Heere aufeinandergeprallt seien. Durch die Dachsparren brach ein Bein und bewegte sich, nach einem Halt suchend, im Kreis. Doch ehe man ausmachen konnte, wem das Bein gehörte, verschwand es wieder und hinterließ ein Loch, durch das sich immer dann, wenn die Kämpfenden in seine Nähe gerieten, ein Blutstrom in die Halle ergoß. In dem Augenblick, als Tryn zu brüllen begann, zerbarst einer der Pfosten mit lautem Knall, kurz darauf ein zweiter; auf der dem Hofplatz zugewandten Seite stürzte das Dach ein und begrub Bosi und zwei Mägde unter sich. Abermals war der Schrei zu hören. Dann war es still.
    Ubbe und Björn zogen Bosi unter dem Dach hervor. Er war bewußtlos, ein Balken hatte sein Nasenbein zerschmettert. Während Ingegärd ihm feuchte Tücher auf die Stirn legte und alte Sprüche murmelte, die sie von Vigdis und diese wiederum von ihrer Mutter gelernt hatte, machten sich die Männer auf die Suche nach Tryn. Sie fanden ihn, lallend vor ohnmächtiger Wut, an einem Pfosten hängen; Arme und Beine waren so ineinander verschlungen, daß er sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte.
    Asmund betrachtete ihn und sagte: »Wer immer es war, der unser Haus ritt: Er weiß hübsche Knoten zu knüpfen.«
    Darauf erwiderte Tryn nichts, aber der Blick, den er seinem Bruder zuwarf, verhieß nichts Gutes.
    Als Bosi wieder zu sich gekommen war, sagte er: »Es ist wenig übriggeblieben, das sich noch zu zerstören lohnt, doch nach der dritten Nacht werden einige
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