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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman
Autoren: Konrad Hansen
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Unberechenbarkeit eines wütenden Mannes zu fürchten gelernt hatte, trat Bosi vorsichtshalber einen Schritt zur Seite, bevor er antwortete: »An Odins Tafel zu sitzen wäre mir ein schwacher Trost, wenn ich wüßte, daß auf meinem Hof der Wald wächst.« Dann schlug er Tryn so heftig auf den Arm, daß diesem die Axt aus der Hand fiel.
    Von Ubbe geführt, begab sich Bosi mit seiner Familie und dem Gesinde in das Moor. Tryn trug Vigdis, die, vom Fieber erhitzt, kein Hehl daraus machte, daß sie Bosi für einen Feigling hielt. Als die Sonne aufging, gelangten sie zu einer Hütte, die den Leuten aus dem Dorf als Unterschlupf diente, wenn sie beim Torfstechen vom Regen überrascht wurden. Hier fanden sie, dicht aneinander-gedrängt, Schutz vor dem kalten Wind, der mit Tagesanbruch zu wehen begonnen hatte.
    Nach einer Weile stieg dunkler Rauch aus dem Wald empor. Asmund, der draußen Wache hielt, rief seinen Vater aus der Hütte. Bosi sah stumm zu der Rauchwolke hinüber, kein Muskel regte sich in seinem Gesicht. Dann sagte er, und es war der längste Satz, den Asmund jemals von ihm hörte: »Als ich geboren wurde, weissagte mir eine alte Frau, ich würde drei Höfe haben, und jeder würde schöner und größer sein als der vorige. Wenn sich die Weissagung erfüllen soll, werden wir viel zu tun bekommen, Sohn.«
    Was Asmund darauf entgegnen wollte, blieb ungesagt, weil ihn,kaum daß er den Mund geöffnet hatte, ein markerschütterndes Gebrüll zusammenfahren ließ. »Wo ist Tryn?« fragte Bosi.
    Asmund deutete mit dem Kinn in die Richtung, aus der das Brüllen mit gleichbleibender Lautstärke zu ihnen drang. »Wie es scheint, vergnügt er sich auf seine Weise«, antwortete er.
    Bosi rief Ubbe zu sich und befahl, ihn selbst, Asmund und einige Knechte auf dem kürzesten Weg zu Tryn zu führen. Von Grasbüschel zu Grasbüschel springend, eilten sie durch das Moor. Einer der Knechte rutschte aus und versank bis zu den Hüften im Morast. Ihn herauszuziehen, fehle es an Zeit, meinte Bosi; damit er sie aber nicht durch sein Schreien verrate, erschlug er ihn. Bald bekamen sie festen Boden unter die Füße, doch der Pfad war so schmal, daß sie hintereinander gehen mußten. Plötzlich blieb Ubbe stehen.
    Ein Mann taumelte rückwärtsgehend auf sie zu. Ubbe stieß ihm seinen Speer zwischen die Schultern, der Mann brach zusammen, und nun sahen sie, daß sein Gesicht vom Haaransatz bis zum Kinn gespalten war. Kurz darauf kam ihnen ein weiterer Mann entgegen, der gleichfalls aus klaffenden Wunden blutete. Seine Augen waren starr vor Entsetzen, und es schien, als böte er sich bereitwillig dem Schwert dar, das ihm den Kopf vom Rumpf trennte.
    Dann sahen sie Tryn. Er stand auf einer kleinen Anhöhe zwischen Wald und Moor, sein nackter Oberkörper war mit Blut bespritzt, in der Linken hielt er den mit Pfeilen gespickten Schild, in der Rechten die Axt, die er gerade jetzt, da Bosi und seine Leute aus dem Moor hervorstürmten, auf den Kopf seines Gegners schmetterte. Dabei lachte er, es war ein heiseres, beinahe lautloses Lachen, und Bosi fühlte sich an seinen Vater Tryn Halbtroll erinnert.
    Von den Männern, die den Spuren der Hofbewohner gefolgt waren, war keiner mehr am Leben; ihre Pferde sprengten reiterlos in den Wald zurück. Bosi zählte vier Tote, und wenn er die beiden hinzurechnete, die in das Moor geflohen waren, hatte Tryn bereitsin jungen Jahren eine Tat vollbracht, die seinen Großvater, den Berserker, mit Stolz, wenn nicht gar mit Neid erfüllt hätte.
    Tryn öffnete seinen Hosenbund und stellte sich breitbeinig über jenen, den er zuletzt getötet hatte. Während er sein Wasser auf ihn abschlug, sagte er mit einer Stimme, die vom Brüllen rauh geworden war: »Nun brauchst du nicht mehr zu rätseln, Vater, welcher deiner Söhne an der Tafel des Königs sitzen wird.«
    »Eines Tages wird man dir ins Ohr pissen«, sagte Bosi und wandte sich ab.
    Gegen Abend kehrten sie zum Hof zurück. Aus verkohlten Holzstümpfen kroch Rauch, hier und dort züngelten Flammen. Eine Kuh lag mit versengtem Fell in der Asche, aus ihrem Körper waren große Stücke Fleisches herausgeschnitten worden; in dem Topf über der Herdstelle brodelte noch das Wasser, in dem sie gekocht worden waren. Tryn erbot sich, von Asmund und zwei oder drei Knechten unterstützt, den Räubern das Vieh wieder abzujagen, aber Bosi hielt schon nach einem Platz Ausschau, auf dem er das neue Wohnhaus errichten wollte.
    »Es wird dort oben stehen«, entschied er und
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