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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine
Autoren: Greg Bear
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glaube, daß Reah auf jeden Fall verlieren wird, wo immer sie sich auch befindet.«
    »Ich gehe dorthin, wo du auch hingehst«, sagte Jeshua. »Hier habe ich nichts verloren.«
    »Dann laß uns gehen.« Sie gingen auf die Bühne zu. Die vier Pyramiden rückten zunächst auf, zogen sich dann aber summend wieder zurück. Die der Bühne am nächsten stehende Einheit scherte aus der Formation aus und stellte sich ihnen in den Weg. »Archon«, sprach sie. »Du hast die Städte erbaut.«
    Kahn nickte, sich versteifend.
    »Du hast Fehler begangen. Du bist der Demiurg, der falsche Gott, der die Welt mit all ihrem Elend und Übel erschaffen hat. Du stehst zwischen dieser Welt und dem wahren Gott, der über allem steht.«
    »Ich bin kein Gott.« Aber er versuchte nicht, sich von der Verantwortung freizusprechen. Auf ihre wahnsinnige, bizarre gnostische Art hatte Thule ja recht. »Und wer bist du, daß du mich eines Verbrechens bezichtigen könntest, nach dem, was du deinen Bürgern angetan hast?«
    Die Frequenz des Summtons wurde höher.
    »Du hast sie ermordet, hast gegen all meine Gesetze verstoßen«, sagte Kahn. »Du hast dich zum Richter über jene aufgeschwungen, die dich erschaffen haben, genauso, wie du dir nun anmaßt, über mich zu richten. Wie verkommen und häßlich du doch bist! Ich befehle dir, deiner ursprünglichen Programmierung zu folgen.«
    Eine Pyramide hinter ihm zerbarst, wobei die Kristallsplitter über das Gras und durch die Luft wirbelten. Ein wehklagendes Heulen drang aus den pechschwarzen Wänden. Überall schienen Glocken zu ertönen, und das Amphitheater füllte sich mit schemenhaften, verzerrten Geistern, wie das Flimmern einer Luftspiegelung – eine Menschenmenge, die sich von den Sitzen eines Stadionsektors erhob und dann verschwand, wobei der Effekt sich wellenförmig um die Zentralbühne ausbreitete.
    »Sie kämpft noch immer«, sagte Jeshua. Er trug fünf Punkte auf seiner Stirn ab und verband sie mit zwei sich schneidenden Dreiecken.
    »Wie stehen unsere Chancen jetzt?« fragte Kahn ihn. »Willst du noch immer die Seelen sammeln und deine Kaballah erfüllen?«
    »Das Shekkinah ist mit uns«, meinte Jeshua.
    »Archon«, sagte die ihnen am nächsten stehende Pyramide mit angenehmer Stimme. »Jedesmal, wenn du zurückkommst, müssen wir das erleiden, nicht wahr?«
    »Ich befehle euch…«
    Die restlichen drei Pyramiden explodierten in einer Splitterwolke, die auf Kahn zuraste.
     
    »Schau nicht zurück«, sagte Matthäus. »Lots Frau, weißt du noch?«
    Arthur konnte den Blick indessen nicht von Thule wenden. Matthäus verdunkelte die Kabine im Heckabschnitt des Flugzeuges.
    Der silberne Würfel des über Thule stehenden Gleiters explodierte.
    Thule verglühte in dem plötzlichen Feuerball, die Turmspitzen der Stadt verfärbten sich schwarz und brachen ab wie die Beine einer im Strahl eines Brennglases verschmorenden Heuschrecke.
    Arthur schlug die Hände vor das Gesicht.
    »Du wirst nach Neu-Kanaan zurückgehen«, sagte Matthäus, aber Arthur hörte ihn kaum. Er fühlte sich, als ob man ihm das Herz aus der Brust gerissen und statt dessen Steine eingefüllt hätte.
     
    Jeshua beseitigte die Splitter und zog das Simulacrum die Stufen hoch. Über ihm ertönte ein Brüllen, und die Dunkelheit kräuselte sich wie ein Ölsee.
    »Tu es«, sagte Kahn mit klarer Stimme. Er war noch immer bei vollem Bewußtsein und ruhig, obwohl sein Körper – mit Splittern gespickt – sich kaum bewegen konnte.
    Jeshua hob ihn auf und schob ihn in das Bifrost; dann betrat er es selbst, wobei er Wärme am Rücken verspürte. Das schwarze Rechteck erzitterte erneut und verging dann zusammen mit dem Amphitheater und der Bühne.
     
    Der Kampf im Bewußtsein von Thule wurde beendet. Für einen Augenblick war Reah frei, ihrer Verantwortung enthoben. In diesem Moment der Ruhe verspürte sie ein warmes Glühen, dann sah sie in ein blendendes Licht. Sogar jetzt noch, nachdem sie bereits ein Jahrhundert tot war, wollte sie sich abwenden.
    Aber das Glühen hüllte sie vollständig ein. Sie konnte die Manifestation eines gigantischen Moleküls spüren, das sich ihr zuwandte.
    Bereit?
    Zumindest hatte sie Matthäus für Kahn aus dem Weg geräumt. Sie hatte die Stadt nicht völlig kontrolliert; ihre stärksten Impulse hatten sich ihrer Einflußnahme entzogen. Aber selbst wenn sie gescheitert war, sie hatte ihren Part gespielt. Sie stellte keine Fragen und stieß die diffusen Gedanken und Ängste von sich weg.
    Bereit.
    Sie
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