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Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky

Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky

Titel: Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
Autoren: Joss Stirling
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Ich setzte mich aufrecht hin und rieb mir die Augen, um die bohrende Angst zu vertreiben, die nach einem solchen Traum stets bei mir nachwirkte.
    »Oh, Liebling, es ist wunderschön!« Sally, meine Mutter, ließ sich durch nichts so schnell entmutigen - Simon nannte sie immer scherzhaft einen Terrier auf der Jagd nach dem Glück: Wenn sie ein Zipfelchen davon zu fassen kriegte, schlug sie ihre Zähne hinein und ließ einfach nicht mehr los. Sally stieg aus dem Auto aus. Ich folgte ihr ziemlich schwerfällig, wobei ich nicht wusste, ob das am Jetlag oder an meinem Traum lag. Die Worte, die mir beim Anblick des Hauses in den Kopf schossen, waren »düster«, »Bruchbude« und »runtergekommen«, Sallys Vokabular unterschied sich von meinem gewaltig. »Ich glaube, das wird ganz toll. Seht euch doch nur mal diese Fensterläden an - das müssen noch die originalen sein. Und diese Veranda! Ich habe mich schon immer auf genau so einer Veranda im Schaukelstuhl sitzen und den Sonnenuntergang genießen sehen.« Ihre braunen Augen strahlten vor Vorfreude und ihre weichen Locken wippten bei jeder Stufe, die sie hinaufstieg.
    Ich war nun schon seit meinem zehnten Lebensjahr bei ihnen und hatte mich mittlerweile damit abgefunden, dass meine Eltern beide eine Schraube locker hatten. Sie lebten in ihrer eigenen kleinen Fantasiewelt, in der alte Bruchbuden »malerisch« und Schimmelbefall »stimmungsvoll« waren. Im Gegensatz zu Sally sah ich mich immer in einem ultramodernen Haus auf einem Stuhl sitzen, der kein Paradies für Holzwürmer war, und in einem Schlafzimmer, an dessen Fensterscheiben die Eisblumen nicht innen wuchsen.
    Aber mal abgesehen von dem Haus: Die Berge dahinter waren atemberaubend, imposant hoch ragten sie in den klaren Herbsthimmel hinein, ein Hauch von Weiß auf den Gipfeln. Wie eine zu Stein gewordene Flutwelle am Horizont, die gerade noch rechtzeitig erstarrt war, bevor sie über uns zusammenschlug. Die felsigen Hänge schimmerten rosa im späten Nachmittagslicht und dort, wo sich lange Schatten auf die Schneefelder legten, zeigten sie sich schieferblau. Die waldbestandenen Seiten waren bereits vom Herbstgold der Espen durch wirkt, die sich leuchtend gegen die dunklen Douglas-Tannen abzeichneten. Ich konnte eine Seilbahn erkennen und die kahl geschlagenen Schneisen der steilen Skipisten.
    Das mussten die High Rockys sein, von denen ich gelesen hatte, nachdem mir meine Eltern eröffneten, wir würden von Richmond-Upon-Thames, England, nach Colorado in den USA, genauer gesagt in eine kleine Stadt namens Wrickenridge ziehen. Ihnen war dort ein einjähriges Stipendium als Artists-in-Residence in einem neuen Künstlerhaus angeboten worden. Ein ortsansässiger Multimillionär und Bewunderer ihrer Arbeiten hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass der Skiort westlich von Denver dringend eine Kulturspritze benötigte - und meine Eltern, Sally und Simon, sollten nun die Injektionslösung sein.
    Als mir meine Eltern die ›frohe‹ Botschaft überbrachten, sah ich mir die Website der Stadt an und erfuhr, dass Wrickenridge für seine jährlich fallende Schneehöhe von 750 cm bekannt war und mehr auch nicht. Dort wäre also Skifahren angesagt - allerdings hatten wir uns die Klassenfahrten in die Alpen nie leisten können und so würde ich meinen Altersgenossen dort Lichtjahre hinterherhinken. Ich malte mir bereits aus, wie ich mich am ersten schneereichen Wochenende am Babyhang bis auf die Knochen blamierte, während die anderen die schwarzen Pisten hinunterbretterten.
    Aber meine Eltern waren begeistert von der Vorstellung, inmitten der Rockies zu malen, und ich brachte es nicht übers Herz, ihnen ihr großes Abenteuer zu vermiesen. Ich tat so, als hätte ich überhaupt kein Problem damit, dass ich die Oberstufe in Richmond, auf die alle meine Freunde gingen, verpasste und mich stattdessen an der Wrickenridge High einschrieb. Seit meiner Adoption vor sechs Jahren hatte ich mir einen Platz in der Gemeinde im Südwesten Londons erkämpft; ich hatte Todesangst und Sprachlosigkeit besiegt, hatte meine Schüchternheit überwunden und mir einen Freundeskreis aufgebaut, in dem ich mich gemocht fühlte. Ich hatte die befremdlichen Seiten meiner Persönlichkeit tief in mir vergraben - beispielsweise diese Sache mit den Farben, von der ich geträumt hatte. Ich achtete nicht mehr auf die Aura der Leute, so wie ich es als Kind getan hatte, und ignorierte es, wenn ich es einmal nicht unter Kontrolle hatte. Ich hatte mich normal
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