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Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)

Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)

Titel: Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)
Autoren: Bernhard Bueb
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Hölderlins Satz aus dem Gedicht »Patmos« artikuliert die Zuversicht der Aufrichtigen.
    Empört euch! lautet der Titel einer Streitschrift von Stéphane Hessel, dem ehemaligen Résistance-Kämpfer, französischen Diplomaten und Buchautor. Sie wurde weltweit millionenfach verkauft und ist eine moderne Variation des Rufes nach Umkehr, der schon der Ruf des Christentums war. Aber auch Gandhi und Mandela setzten auf die persönliche Integrität, auf den Mut und auf die Wahrheitsliebe der Einzelnen. Denn nur Personen, die mutig für die Wahrheit eintreten, können die Welt im Gleichgewicht halten.
    Die mächtige Lüge müsste längst die Welt erobert haben. Aber die »schwachen« Ehrlichen schaffen es immer wieder, die Lüge in Schach zu halten. Es scheint eine Art Gleichgewicht zwischen Lüge und Wahrhaftigkeit zu geben, das über die Jahrtausende konstant geblieben ist. Oft genügt es, einfach die Wahrheit zu sagen, um Verhältnisse zu ändern, oder wie der britische Schriftsteller George Orwell in seinem dystopischen Roman 1984 schreibt: »In Zeiten, da Täuschung und Lüge allgegenwärtig sind, ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt.«
    Lügner pflegen mit unerhörter Energie autoritäre Systeme zu erfinden, die neue Lügner erzeugen. Das Ringen um Ehrlichkeit und die Erkenntnis, dass sie die Voraussetzung für ein gutes Leben ist, haben in der Neuzeit zu einer Struktur des Zusammenlebens geführt, die der Ehrlichkeit eine rechtliche Sicherheit gibt: zum demokratisch verfassten Rechtsstaat. Wenn es einen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit gibt, dann ist der Rechtsstaat an erster Stelle zu nennen. Ihm liegt das Verständnis zugrunde, nur Macht zu bejahen, die legitimiert und der Wahrhaftigkeit verpflichtet ist. Wir haben die allgemeine Akzeptanz des demokratischen Rechtsstaates auch wieder der Aufklärung zu verdanken. Er kann schwächeln, er kann zeitweise außer Kraft gesetzt werden, als Idee aber ist er nicht mehr aus der Welt zu denken.
    Revolutionen wurden angezettelt, weil man glaubte, dass ein Umsturz der Verhältnisse zu Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit führen werde. Aber die Veränderung der Verhältnisse erzeugt keine ehrlichen Menschen. Wenn Revolutionäre nicht gerecht und ehrlich sind, setzen sich Lüge und Ungerechtigkeit im neuen System fort. Es gibt keine ehrlichen Systeme – weder Kirchen, Staaten, Unternehmen noch soziale Einrichtungen sind es –, es gibt nur ehrliche Menschen.
    Alle Bemühungen in der Geschichte, die Macht der Lüge ausschließlich über strukturelle oder gesetzliche Regelungen zu begrenzen, sind daher auch gescheitert. Die sozialistische Gesellschaft war der radikalste Versuch und endete in noch größerer Lüge. Nach den Betrügereien von Politikern und Wirtschaftsführern in den letzten Jahrzehnten wird der Ruf nach Regulierung wieder lauter. Kontrollen und Strafen seien die einzige Sprache, die die Akrobaten der Geldgier verstehen. Aber allein durch Regulierung lässt sich das Gleichgewicht nicht herstellen.
    Wenn Lügner die Wahrheit vertuschen oder unterdrücken wollen, beharren die Ehrlichen friedlich, aber nachdrücklich auf Transparenz und Aufklärung. Sie bestätigen den Satz, den Bertolt Brecht Laotse zuschreibt in dem Gedicht »Die Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Wege des Laotse in die Emigration«: »Dass das weiche Wasser in Bewegung mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt. Du verstehst, das Harte unterliegt.«
    Unsere Zuversicht beruht darauf, dass in der Vergangenheit Ehrliche zwar gescheitert sind, aber nicht die Ehrlichkeit. Ja, sie geht sogar stärker aus Niederlagen hervor. Heute leben uns Menschen vor, wie mächtig Ehrlichkeit sein kann, wenn sie kompromisslos gelebt wird.
    Im Januar 2013 wurde das Stück »Das Himbeerreich« von Andres Veiel in Stuttgart uraufgeführt, ein Drama, mit dem der angesehene Film- und Theaterregisseur die absurde Welt der Banken an den Pranger stellt. Andres Veiel empört sich, klärt auf und nutzt das Theater als moralische Anstalt. Es mag in seiner Wirkung begrenzt sein. Vielleicht genießen sogar dieselben, die hier angeklagt werden, die Unterhaltung, die die Erzählung des Verbrechens erzeugt. Aber mit diesem Stück schafft Veiel Transparenz. Er weiß, dass nur Aufklärung die Menschen verändern wird.
    Veiel hat nicht nur Gespräche mit mehr als zwanzig Bankmanagern geführt, die das System der Geldvermehrung bejahten, sondern auch mit Aussteigern und Kritikern
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