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Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)

Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)

Titel: Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)
Autoren: Bernhard Bueb
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werden. Eltern und Erzieher bleuen Kindern ein, dass das Lügen schreckliche Folgen hat und sich deshalb nicht lohnt. Wenn die Lüge im Lande zunimmt, kommt sofort der Ruf nach härteren Gesetzen und Strafen.
    Auf Kontrolle und Strafe kann keine Gesellschaft verzichten. Selbst ehrliche Menschen brauchen Steuerprüfer, Bauaufsicht, Polizei oder Kontrolleure in der Bahn. Denn auch sie sind Versuchungen ausgesetzt. Sie sind Menschen. Die menschliche Natur ist schwach. Sie braucht Stützen. Jeder ehrliche Mensch wird eingestehen, dass auch er Kontrollen und Strafen als nützliche Mittel erfährt, seine Ehrlichkeit aufrechtzuerhalten.
    Die Zentrale des International Baccalaureate, ein in allen Ländern der Welt als Hochschulzugang anerkannter Abschluss allgemeinbildender Schulen, hat der verbreiteten Praxis des Plagiierens von Texten den Kampf angesagt. Jedes Referat und jede Facharbeit von Schülern muss vor dem Korrigieren ein Programm durchlaufen, das feststellen kann, ob fremde Texte ohne Quellenangabe verwendet wurden. Diese Maßnahme wurde notwendig, weil Schüler sich weltweit verführen lassen, Referate oder sonstige eigenständig zu erstellende Arbeiten aus dem reichen Schatz des Internets zu besorgen. Ihre »Leistung« besteht manchmal nur darin, die Texte so zu verfremden, dass sie nicht sofort als geistiger Diebstahl zu erkennen sind. Seitdem das Programm eingeführt wurde, widerstehen die meisten Schüler der Verführung zum geistigen Diebstahl. Wie das Blitzgerät an einer Straße Verkehrsteilnehmer veranlasst, die vorgeschriebene Geschwindigkeit einzuhalten, so wirkt das Programm auch vorbeugend.
    Kontrollen dienen der Sicherung von Ehrlichkeit. Sie bieten eine Gelegenheit für Schüler oder Studenten, sich selbst zu prüfen, ob sie ihre Leistung ohne fremde Hilfe erbracht haben. Solche Kontrollen wirken nur dann, wenn unehrliches Verhalten bestraft wird.
    Kontrollen entlasten auch die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern. Sie müssen aber klar und einleuchtend sein. Programme im Internet, die Texte auf Plagiate durchkämmen, sind solche entlastenden Kontrollen. Sie vermindern die Gelegenheiten zu betrügen, weil die Schüler wissen, dass ihr Betrug ziemlich sicher entdeckt wird. Sie werden Betrugsversuche unterlassen.
    Als zweite Wirkung erzeugt Kontrolle Furcht vor Strafe. Wer also trotz solcher Kontrollen betrügen will, muss mit Strafen rechnen. Es geht dabei um Abschreckung. Unsere Urin-Kontrollen in Salem, über die viel diskutiert wurde, sind ein Beispiel dafür, dass wir Lehrer und Schüler von der Vertrauensfrage beim Thema Drogen entlasten wollten.
    Kontrollen und Strafen sind notwendig, sie lösen das Problem aber nicht. Regulation, Gesetze, stärkere Kontrollen und schärfere Strafen machen die Menschen nicht ehrlicher. Wir Menschen sind darauf angewiesen, dass wir einander vertrauen. Solches Vertrauen erfordert eine Haltung der Ehrlichkeit jenseits von Kontrolle und Strafe.
    Es gibt allerdings Menschen, die nur ehrlich sein können, wenn sie wissen, dass Kontrolle und Strafe drohen. Die Lüge ist ihre Überlebensstrategie und ihr Weg, Anerkennung zu gewinnen. Ehrlichkeit als Lebenseinstellung ist ihnen so fremd wie dem Blinden die Farbe.
    Lügner und ihre Lügengebäude werden nicht immer durch Aufklärer zu Fall gebracht. Sie brechen oft zusammen, weil Menschen auf Dauer nicht zusammenleben können, ohne einander zu vertrauen.

Die Macht der Ehrlichen
    Die Lüge wuchert in jeder Epoche der Menschheitsgeschichte. Aber in jeder Epoche formiert sich dagegen die Macht der Ehrlichen. Sie ist die Macht von Einzelnen. Sie bauen keine Machtstrukturen auf, ihre Strategie heißt Ehrlichsein. Sie sind friedlich. Ihre konsequente Aufrichtigkeit ist Schutz und Waffe zugleich. Sie sind mächtig, weil Transparenz und Aufklärung ihrem Leben eine Richtung geben. Ihre Macht entspringt der inneren Gewissheit, dass sie durch Wahrhaftigkeit ihre Bestimmung als Mensch erfüllen. Wahrhaftigkeit bedarf in ihren Augen keiner Begründung, weil ihnen ihre Notwendigkeit unmittelbar einsichtig ist.
    Im ersten Kapitel habe ich beschrieben, dass viele Bürger befürchten, das Ende der Aufrichtigkeit sei eingeläutet. Der Mensch suche nur seinen Vorteil und schrecke deshalb vor keiner Lüge zurück. Dies präge unsere Moral. Aber es gibt Grund zur Hoffnung: Eine Gegenbewegung wächst heran. Es ist die Bewegung der ehrlichen Einzelnen, die der Lüge ihre Kraft nehmen. »Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch« –
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