Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
noch angerufen   …» Er brach ab und biss sich auf die Lippen.
    «Ich habe angerufen», flüsterte sie. Ob er es hörte und verstand, wagte sie nicht abzuschätzen.
    Er schüttelte den Kopf, wieder und wieder. Dabei gab er kurze, trockene Töne von sich. Als er nach einigen Sekunden wieder zu sprechen begann, begriff sie, dass er ihr nicht glauben konnte, weil er ihr nicht glauben wollte. Für ihn hatte Nadia sterben müssen, weil er sie in der Nacht von Donnerstag auf Freitag so herb abgekanzelt und sich am frühen Morgen des neunundzwanzigsten November ihr gegenüber so schäbig verhalten hatte. Weil er dann am dreißigsten, dem Samstagmorgen, nach München gefahren war. Minutenlang war er mit seinen Selbstvorwürfen beschäftigt. Alles, was er ihr an jenem Freitagmorgen im Bad vorgehalten hatte, schien nicht mehr wahr. Nur ein Spielzeug, das man bei Bedarf aus der Schublade kramte. Jetzt zählte nur noch: Er war nicht daheim gewesen, als Nadia ihn dringend gebraucht hätte.
    Er hatte seine eigene Vorstellung. Wolfgang hatte ihm erzählt, dass die vermeintliche Susanne Lasko in der Nacht von Samstag auf Sonntag umgebracht worden war. Und an dem Samstagabend war Nadia noch auf Lilos Party gewesen, dort zusammengebrochen, von Jo fürsorglich bis zur Haustür begleitet – und anschließend von ihr oder Hardenberg in dieFalle gelockt worden. Der Toten hatten sie dann die falschen Papiere untergeschoben. Und sie hatte Posten im Haus bezogen.
    Aber sie hatte feststellen müssen, dass sie keinen Zugang zum Computer bekam. Dann hatte sie sich wieder aus dem Staub machen wollen. Wäre er sonntags nicht unerwartet aus München zurückgekommen, sie wäre mit Nadias Papieren und Zurkeulens Geld über alle Berge gewesen. Und er hätte nie erfahren, was tatsächlich mit seiner Frau geschehen war.
    Sie versuchte es noch einmal. «Nein, es war ganz anders.»
    Und er lachte noch einmal rau, drängte auf Einzelheiten. Sie begann mit der ersten Begegnung am Aufzug im Gerler-Bürohaus. Er winkte ab. Das sah Wolfgang ja nun ganz anders, nämlich, dass sie und Hardenberg sich begegnet waren. Im anderen Fall, meinte er, hätte Nadia ihm bestimmt vom Zusammentreffen mit einer Doppelgängerin erzählt.
    Er verließ sich auf das, was er über Susanne Lasko von Wolfgang erfahren hatte. Ein gerissenes Luder, ein ausgekochtes Biest, das alle Welt belogen und die eigene Mutter beklaut hatte. Wolfgang hatte ja – mit Dieters freundlicher Unterstützung – etliche unschöne Tatsachen über Susanne Lasko herausgefunden.
    Sie war viel zu aufgewühlt, um darauf zu achten, wohin er fuhr. Und jedes Mal, wenn sie etwas klarstellen wollte oder den Namen Nadia aussprach, unterbrach er sie. So kam sie zwar dazu, Nadias Verlangen nach einer Vertretung als schmollende Ehefrau zu erwähnen. Doch vom Probeeinsatz an dem Sonntagnachmittag im August wollte er nichts hören. Und vom zwölften September hielt er sie meilenweit fern. Er bat sarkastisch um Verständnis, dass er in dieser Situation keine weiteren Lügen zu ertragen glaubte, nur noch erfahren wollte, wem er tagelang wie ein Vollidiot auf den Leim gegangen war.
    Der Alfa holperte langsam über unebenen Boden und hielt auf einem winzigen, unbefestigten Platz. Er löschte die Scheinwerfer. Mit einem Schlag war es stockdunkel. Nichts, absolut nichts war mehr zu sehen. Nicht einmal sein Gesicht. Erst nach endlosen Sekunden gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Sie nahm schwache Konturen außerhalb des Wagens wahr. Baumstämme! Mächtige Baumstämme. «Wo sind wir?», fragte sie.
    Er hatte beide Hände vor sein Gesicht gelegt und antwortete nicht. Sie wiederholte ihre Frage, konnte nicht verhindern, dass panische Furcht ihre Stimme zittern ließ. Er nahm die Hände herunter, schaute starr nach vorne in die Dunkelheit. «Bei Demetros», sagte er nur.
    «Aber hier ist doch nirgendwo ein Restaurant.»
    Er lachte. «Wer hat behauptet, Demetros sei ein Restaurant? Es ist ein Club. Ein Treffpunkt für Gleichgesinnte, oder wie immer man es nennen will. Wir waren oft hier, meine Frau und ich.» Er gab einen sonderbaren Laut von sich, der fast wie ein Schluchzen klang. Dann sprach er weiter. «Hin und wieder braucht eine Partnerschaft ein bisschen frischen Wind. Es war ihre Idee. Sie hatte Angst, ich könnte irgendwann auf den Gedanken kommen, etwas versäumt zu haben. Es ist sehr komfortabel – Whirlpool, Partnersauna. Zu essen gibt’s auch was.»
    Er stieg aus. Sie folgte ihm, Jacke und Handtasche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher