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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung
Autoren: Oliver Pötzsch
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Bündel umklammert, offenbar ein größeres Buch. Als Steven ihn darauf ansprach, lächelte der Mann nur und flüsterte etwas, was für den Antiquar keinen Sinn ergab.
    Die Linie des Königs steht auf dem Spiel …
    Auch die nervösen Blicke des Fremden hatten ihn irritiert. Mehrere Male hatte der Mann durch das Schaufenster nach draußen gesehen, als ob dort irgendetwas … lauere. Als Steven kurz darauf für einige Minuten ins hintere Lager ging, um die Pepys-Tagebücher zu holen, war der Fremde einfach grußlos verschwunden.
    Steven musste unwillkürlich schmunzeln.
    Schräge Vögel und alte Narren, dachte er. Sonst kommt niemand mehr in meinen Laden. Wenn ich nicht aufpasse, werde ich noch selber zum Kauz. Oder bin ich das schon?
    Er räumte weiter die Kiste aus und verteilte die Bücher nach Sachgebieten auf die jeweiligen Regale, wobei er immer wieder eine schmale Leiter hochkletterte und dabei Schuberts ›Tod und das Mädchen‹ summte.
    Ganz plötzlich hielt er inne.
    In Kopfhöhe, zwischen einer alten ledergebundenen Bibel und einer antiquarischen Ausgabe von Molières Dramen, stand ein dicker, fast handbreiter Wälzer, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Er zog das Buch aus dem Regal und stellte verwundert fest, dass der Foliant nicht aus Papier, sondern aus geleimtem Kirschholz bestand. Nur der Rücken war aus Leder. Das vermeintliche Buch schien einer jener getarnten Behälter zu sein, in denen gutbürgerliche Väter früher ihre Schnapsflaschen oder Zigarren in der Hausbibliothek versteckt hatten. Es erinnerte Steven an ein Schatzkästchen, wie es kleine Jungs gelegentlich benutzen, um ihre Murmeln, Taschenmesser und Lego-Ritter darin aufzubewahren. Hatte er als Kind nicht auch ein ganz ähnliches Kästchen besessen?
    Neugierig öffnete er die kleine Kiste, als ihn plötzlich ein merkwürdiges Prickeln überkam, das er sich selbst nicht erklären konnte. Kurz wurde ihm schwarz vor Augen, und er drohte, von der Leiter zu fallen. Ihm war, als würde eine neblige Hand nach ihm greifen. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Es blieb nur ein beißender, fast brennender Geschmack an seinem Gaumen zurück.
    Was in aller Welt war das? Irgendein Parfüm, das ich nicht vertrage? Ein Lack? Oder bin ich neuerdings auf irgendwas allergisch?
    Vorsichtig stieg Steven die letzten Sprossen hinunter und warf einen Blick in den Behälter. Er war mit dunklem Tuch ausgeschlagen und roch muffig. Darin lagen einige verblichene Fotografien und eine schwarze, mit einem Seidenband verschnürte Haarlocke – außerdem ein wertvoll gestaltetes Büchlein. Eingebunden in blauem Samt und geschmückt mit Elfenbeinverzierungen wirkte es wie ein verwunschenes Zauberbuch. Steven strich über die Konturen eines Ritters mit Schwert, der auf einem Schwan zu segeln schien, er streichelte den blauen Samt des Einbands und fuhr über die Intarsien weißer Blüten und Blätter. Als er in das Innere des Schatzkästchens blies, flog eine Wolke flirrenden Staubs auf; der Geruch ließ ihn erneut schwindlig werden.
    Wieder fühlte er eine neblige Hand nach sich greifen; er schloss die Augen und öffnete sie wieder. Seine Kehle war mit einem Mal trocken wie nach einer durchzechten Nacht. Steven schüttelte sich und versuchte sich zu konzentrieren.
    Sei nicht albern und reiß dich zusammen! Es ist nur ein alter Behälter, mehr nicht.
    Die Fotos fielen ihm als Erstes ins Auge. Sie schienen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aufgenommen worden zu sein und zeigten in mattgrauen Farben und unterschiedlichen Positionen einen jungen, etwa dreißigjährigen Mann auf einem hölzernen Drehhocker. Neben ihm stand ein älterer, leicht aufgedunsener Herr in schwarzem Gehrock, auf einigen der Bilder ruhte seine linke Hand fast liebkosend auf der Schulter des Jüngeren. Seine Statur hatte etwas von einem behäbigen, aber gutmütigen Riesen. Ob das vertrocknete Haarbüschel aus dem Kästchen von einem der Männer stammte? Beide hatten immerhin dunkles Haar.
    Nachdenklich legte Steven Bilder und Locke zurück in den Behälter und wandte sich wieder dem kostbaren Buch mit den Elfenbeinintarsien zu. Als er anfing, darin zu blättern, stutzte er. Auf den Seiten aus feinstem Bütten standen keine Buchstaben, sondern merkwürdige Krakel und Hieroglyphen, die eher an eine Geheimschrift erinnerten. War das vielleicht wirklich ein altes Zauberbuch? Stevens Herz schlug schneller. Er wusste, dass für sogenannte Grimoires erstaunliche Summen geboten wurden,
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