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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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verschwunden ist, oder?»
    «Ich bin nach Hause gekommen, weil meine Frau mich darum gebeten hat. Sie hat mir nichts von einer Vermisstenmeldung erzählt.» Er lächelte plötzlich, legte einen Arm um die Schultern seiner Frau. Aber es passte nicht recht, fand Laura, und sie registrierte, wie sich die Ärztin versteifte, als wehrte sie diese Berührung ab. Und sie fragte sich, wie lange die beiden es durchhalten würden, nicht nach der Toten zu fragen, die Gewissheit hinauszuzögern. Deshalb beschloss sie, nachzuhaken, die seltsame Äußerung der Ärztin aufzugreifen.
    «Sie sagten vorhin, Sie hätten einmal ein Problem mit Ihrem Au-pair-Mädchen gehabt. Was war das?»
    Dr.   Denner runzelte die Stirn und warf seiner Frau einen irritierten Blick zu. Sie senkte den Kopf, knetete ihre blassen Hände.
    «Nun ja, es ging um ihren Umgang: Valeria hatte schwarze Freunde. Ich meine Männer mit schwarzer Hautfarbe. Afrikaner. Als sie einen von ihnen sogar hierher gebracht hat, habe ich das natürlich sofort verboten … schon der Kinder wegen!»
    Laura und Baumann erwiderten nichts. Saßen da und warteten. Eine Minute lang war es still im Raum. Nur von ganz weit weg konnte man Kinderstimmen hören, und die Vögel im Garten sangen noch immer, obwohl es beinahe dunkel war.
    Endlich stieß Dr.   Denner ein Seufzen aus, löste den Arm von den Schultern seiner Frau und stützte beide Hände auf die Rückenlehne eines Sessels.
    «Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass Aids besonders unter den Schwarzen verbreitet ist. Wir haben Valeria ausdrücklich gewarnt. Auch vor den kulturellen Unterschieden. Wir hatten schon vier verschiedene Au-pairs, aber noch nie derartige Schwierigkeiten. Ich meine, die Mädchen sollten versuchen, Deutsch zu lernen, und alles Übrige ruhen lassen, wenn Sie wissen, was ich meine.»
    Baumann nickte ernst. «Durchaus», sagte er. «Da scheint es aber ein hormonelles Problem zu geben. Sind Sie nicht Arzt?»
    «Ja», erwiderte Denner ungeduldig. «Wissen Sie, wir haben keine Zeit, uns um den Lebenswandel unserer Au-pairs zu kümmern. Wir bezahlen sie gut, damit sie sich um unsere Kinder und den Haushalt kümmern.»
    Laura hatte genug. Sie zog die Fotos der Toten aus ihrer Tasche und hielt sie den Denners unter die Nase.
    «Kennen Sie diese junge Frau?» Renata Denner wurde noch blasser, ihr Mann zuckte zusammen. «Mein Gott!», flüsterten sie gleichzeitig.
    Wieder warteten Laura und Baumann, doch diesmal kam nichts von den Denners. Sie standen wie erstarrt. Endlich räusperte sich Baumann.
    «Es handelt sich bei der jungen Frau auf den Fotos offensichtlich um Ihr Au-pair-Mädchen. Stimmt das?»
    Dr.   Denner nickte.
    «Ihr Name ist Valeria Cabun?»
    Wieder Nicken.
    «Wann haben Sie die junge Frau zuletzt gesehen?»
    «Gestern am späten Nachmittag. Sie hatte den Abend frei. Als ich nach Hause kam, hat sie sofort das Haus verlassen.» Die blassen Hände falteten sich flehentlich.
    «Hat sie gesagt, mit wem sie sich treffen wollte?»
    «Nein, Valeria sagte mir nie etwas. Seit ich ihr verboten habe, einen Schwarzen mitzubringen …»
    «Gab es Spannungen zwischen Ihnen und dem Mädchen?», fragte Laura.
    «Nicht direkt. Aber ich glaube, sie mochte mich nicht. Sie hat mich manchmal so komisch angesehen. Wo haben Sie sie gefunden?»
    Laura nahm das Spielzeugauto wieder in die Hand, das sie vor einer Weile auf den Couchtisch gestellt hatte. «Im Hinterhof eines Mietshauses. Nicht sehr weit von hier. Sie hat sich vermutlich aus dem Fenster im vierten Stock gestürzt.»
    «Sie hat Selbstmord begangen?» Ungläubig und mit aufgerissenen Augen starrte Renata Denner Laura an.
    «Es sieht so aus.»
    «Aber warum? Das passt nicht zu ihr. Sie hat mit den Kindern viel gelacht, sie war …»
    Dr.   Denner legte eine Hand auf ihren Arm. «Wenn jemand lacht, bedeutet das noch lange nicht, dass er keinen Selbstmord verübt. Wir kannten sie doch kaum. Sie war gerade mal drei Monate bei uns.» Er sprach eindringlich auf seine Frau ein, als wollte er sie von Valerias Selbstmord überzeugen.
    «Vielleicht war sie schwanger», sagte die Ärztin leise. «Diese Schwarzen passen nicht auf. Das hört man immer wieder. Sie wird schwanger gewesen sein. Man weiß ja, wie italienische Familien auf so etwas reagieren. Und dann noch von einem Schwarzen.»
    «Haben Sie eigentlich noch mehr Vorurteile auf Lager?» Laura stand auf und ging zur Fensterfront hinüber, versuchte ihren Ärger unter Kontrolle zu bringen, indem sie in den
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