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Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)

Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)

Titel: Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)
Autoren: Robin Gold
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Rücksitz und verfrachte dich nach River Pointe. Hast du mich verstanden? Das ist kein Scherz!«, drohte Libby.
    »Ja, ich hab’s kapiert«, schnauzte Clara.
    Libby atmete tief durch. Als sie wieder das Wort ergriff, war es mit viel sanfterer Stimme. »Glaub mir, Clara-Keks … Ich weiß, was du gerade durchmachst. Ich habe einen Ehemann verloren. Ich weiß, wie schwierig Feiertage sind. Und ich weiß, wie sehr es dich schmerzt, dass Sebastian nicht mehr da ist. Das weiß ich wirklich. Aber ich sage dir jetzt mal was: Ob es dir gefällt oder nicht, du musst dein Leben irgendwann wieder auf die Reihe bekommen und weitermachen. Und glaub mir, es wird dir viel leichter fallen, wenn du aufhörst, dich von allem so abzuschotten. Du musst die Menschen, die dich lieben, wieder an dich ranlassen, anstatt darauf zu beharren, das alles allein durchzustehen.«
    »Das mache ich doch gar nicht«, stritt Clara ab.
    »Oh, doch, das machst du«, versicherte Libby ihr.
    Sebastian war nun seit acht Monaten fort, obwohl es Clara eher vorkam wie eine Ewigkeit, bestehend aus nahtlos ineinander übergehenden trübseligen Tagen. Und das Letzte, was sie wollte, war, das alles mit ihrer Mutter zu diskutieren. »Also gut«, murrte sie und tat ihr Bestes, nicht weiter in Gedanken der Tragödie nachzuhängen, die ihr ihren Seelenverwandten genommen hatte – ihren Anker –, weshalb sie nun richtungslos im Meer der Zeit dahintrieb. »Es hat einen Unfall in der Nähe des Flughafens gegeben«, hatte der ernst dreinblickende Polizist gesagt. Einen Unfall …
    Nun, in der warm beleuchteten Diele des Hauses, in dem Clara aufgewachsen war, wehrte sie sich nicht gegen die Umarmung ihrer Mutter, die so fest war, dass ihr beinahe die Organe zerquetscht wurden.
    »Ich bin ja so froh, dich zu sehen«, sagte Libby strahlend.
    »Ich freue mich auch, dich wiederzusehen«, erwiderte Clara halbherzig.
    Als ihre Mutter sie dreißig Sekunden später noch immer nicht losgelassen hatte, formte sie lautlos mit den Lippen ein » Hilfe! « in Richtung ihres Bruders, der neben ihrem Koffer stand.
    Offensichtlich amüsiert, warnte er seine Mutter: »Vorsicht. Was du zerdrückst, musst du kaufen. So lauten die Hausvorschriften.«
    Libby lockerte ihre Umarmung, ließ sie jedoch noch immer nicht ganz los. Stattdessen untersuchten ihre Hände Claras Rückgrad, Wirbel für Wirbel. Sie betastete ihre Tochter akribisch, bevor sie entsetzt ausrief: »Du bist ja nur noch Haut und Knochen! Lass dich mal anschauen …« Endlich ließ sie los und trat mit einem alarmierten Gesicht einen Schritt zurück. »Grundgütiger! Und du bist ja bleich wie ein Gespenst. Wann hast du zuletzt was gegessen?« Sie hielt inne und betrachtete Clara eingehend. »Im August ? Liebes, ich hab dich noch nie so dünn gesehen.«
    »Ich kann dir versichern, dass ich genauso dünn bin wie immer«, brummte Clara. »Du hast mich nur eine Weile nicht gesehen, das ist alles.«
    »Ach, Kleines, Kleines. Lass mich noch mal sehen. Du bist ja geradezu ausgemergelt.« Die Hand in die Hüfte gestützt, drehte sich Libby zu Leo um und fragte: »Sieht deine Schwester nicht total ausgemergelt aus?«
    »Äh … Ich … weiß nicht.« Er zuckte mit den Schultern. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass er da mit hineingezogen wurde. »Ich … schätze, sie sieht ein bisschen dünn aus.«
    »Ein bisschen ?«, empörte sich Libby, und Clara, genauso überrascht von der Wortwahl ihres Bruders, wiederholte: »Du schätzt ?« Leo hatte die irritierende Angewohnheit zu »schätzen«, wenn er gerade ängstlich bemüht war, jemandem eine dicke, fette Lüge aufzutischen. Seltsamerweise schien er so gut wie nie zu »schätzen«, wenn er die Wahrheit sagte.
    »Hä?« Clara kniff die Augen zusammen angesichts seiner Wortwahl. »Du schätzt … wirklich?« Sie fragte sich, ob es vielleicht stimmte. Clara warf jeden Morgen einen kurzen Blick in den Badezimmerspiegel, wenn sie aus der Dusche stieg und sich die nassen Haare kämmte, aber sie machte sich nur selten, wenn überhaupt je, die Mühe, ihr Spiegelbild genau zu betrachten. Es spielte sowieso keine Rolle mehr für sie.
    Leo seufzte gereizt: »Was weiß denn ich?«
    Libby neigte den Kopf, legte den Zeigefinger ans Kinn und betrachtete Clara eingehend. »Zweiundfünfzig, höchstens vierundfünfzig Kilo«, verkündete sie nach kurzem Nachdenken. »Aber kein Gramm mehr. Glaub mir.« Libby Black hatte sich immer als jemanden betrachtet, der über zwei besondere, gottgegebene Gaben im
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