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Die Liebe verzeiht alles

Die Liebe verzeiht alles

Titel: Die Liebe verzeiht alles
Autoren: WENDY WARREN
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einen Schritt zurück und machte dann den Fehler, aufzublicken.
    Gus hatte sein kantiges Gesicht, das verriet, dass er zur Hälfte ein Lakota war, kurzfristig Bree zugewandt, die schon bei der Glastür stand. Er betrachtete das Mädchen einen Moment und sah Lilah danach abschätzend an.
    Ihre Nerven waren ohnehin sehr angespannt, doch jetzt drohten sie zu zerreißen. Verschwinde so schnell wie möglich, mahnte eine innere Stimme sie lautstark, nur war sie noch nie gut in Abgängen gewesen.
    „Nettie wartet auf uns, und wir sind sowieso schon spät dran.“ Sie schlenderte auf Bree zu. „Ein schöner Minimarkt“, fuhr sie fort, um das drückende Schweigen zu beenden. „Mit einem prima Süßwarenangebot und Iced Coffee Drinks … Viel Glück.“
    Sie fasste ihren Schützling am Arm und eilte nach draußen.
    „Reagierst du bei Männern immer so idiotisch? Da drinnen hast du dich wie eine Geistesgestörte aufgeführt.“
    Lilah krallte die Finger ums Lenkrad, um zu verbergen, wie sehr ihre Hände zitterten. „Man bezeichnet niemanden als Geistesgestörten. Das ist sehr unhöflich.“
    „Okay. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich meine wichtigsten Entwicklungsjahre mit jemandem verbringen muss, der sich wie eine Verrückte benimmt. Wie soll ich da etwas lernen?“ Bree beschwerte sich zwar auf die übliche dramatische Weise, klang aber zum ersten Mal seit Langem fast fröhlich.
    Wenn du überhaupt etwas von mir lernen willst, dann lern aus meinen Fehlern, hätte Lilah gern geantwortet, ließ es jedoch bleiben. Am liebsten würde sie momentan gar nicht reden müssen, und deshalb schob sie eine Kassette mit Broadwaymelodien in den Rekorder.
    Bree hörte ganze zwei Sekunden lang zu, bevor sie erneut fragte: „Reagierst du bei Männern immer so idiotisch?“
    „Ja“, stieß Lilah zwischen den Zähnen hervor.
    „Oh.“ Sie kratzte sich am Arm. „Ich auch.“ Sie holte die Kassette aus dem Rekorder und tauschte sie gegen eine mit Musik von der britischen Band Coldplay aus.
    Kurz blickte Lilah zu ihr. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie den Gesprächsfaden aufgenommen, um ihrem Schützling näherzukommen. Aber jetzt war es ihr unmöglich, denn sie musste erst einmal versuchen, ihr inneres Gleichgewicht zurückzugewinnen.
    Warum hatten ihre Schwestern ihr nicht erzählt, dass Gus wieder in der Gegend war? Als Eigentümer der neuen Tankstelle war er doch nicht erst gestern zurückgekehrt.
    Allerdings konnte es auch etwas Gutes bedeuten, dass sie ihr nichts gesagt hatten. Womöglich hatten die beiden nie von Lilahs damaliger Beziehung mit dem am meisten verachteten Jungen in ganz Kalamoose und Umgebung erfahren. Dann wussten sie auch nicht, dass er mit ein Grund dafür gewesen war, warum sie damals die Kleinstadt verlassen hatte. Und sie ahnten erst recht nicht, dass sie zumindest teilweise für die Tat verantwortlich war, für die man ihn vor zwölf Jahren in Handschellen abgeführt hatte.
    „Die Zahlen sehen gut aus, Crystal“, sagte Gus mit angespannter Stimme zu seiner jungen Geschäftsführerin. „Ich schaue morgen wieder vorbei. Rufen Sie mich an, falls Sie vorher etwas brauchen.“
    Crystal nickte und folgte ihm zur Tür. Sie hatte kein Wort über den Zwischenfall von eben verloren, denn sie besaß ein feines Gespür dafür, wann sie besser schwieg. „Wir kommen schon klar.“
    „Bis dann.“
    Gus trat hinaus in den Sonnenschein und ging um das Haus herum zu seinem Wagen, den er nahe der Werkstatt geparkt hatte. Er winkte Crystals Cousin Jim zu, ebenfalls ein Lakota, der gerade einen Pick-up reparierte und die Zapfsäulen bediente.
    Die Tankstelle lief schon ganz gut, und er war sicher, dass sich die Investition rentieren würde. Auch wenn er Risiken liebte, ging er sie nicht unnötig ein. Er war mit vielen Plänen nach North Dakota zurückgekehrt, die auch Kalamoose betrafen.
    Vor zwölf Jahren hatte er das Provinzstädtchen unter Schimpf und Schande verlassen. Er war mittellos und ohne Schulabschluss gewesen und hatte es mit jedem Menschen verdorben, der ihm hätte helfen können. Und er hatte Lilah Owens genauso gehasst, wie er sie vorher geliebt hatte – blind und leidenschaftlich.
    Gus setzte die hundertfünfzig Dollar teure Sonnenbrille auf, ließ den Motor seines Cabrios an und wendete. Die Bestürzung in ihrem Gesicht, als er ihr erzählt hatte, die Tankstelle gehöre ihm, hatte ihn mit Zufriedenheit erfüllt – und mit Groll. Sie hatte anscheinend nicht erwartet, dass er es zu etwas bringen
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