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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen
Autoren: Frederique Deghelt
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plötzliche Veränderung ebenso schnell wieder zurückentwickeln. Oder wandle ich immer noch in einem absurden Traum? Vielleicht wache ich gleich neben Pablo auf, ohne Kinder, und habe einen neuen Job? Oh je, mein neuer Job … Halt! Ganz ruhig bleiben. Unzählige Fragen rasen mir durch den Kopf und versetzen mich in wilde Panik, mir wird schlecht vor lauter Angst. Ich stütze mich auf einen Stuhl, an dem eine Handtasche baumelt, bestimmt meine. Das Telefon klingelt. Ich zögere, greife dann aber mit fester Hand nach dem Hörer.
    »Hallo, Schatz? Wieder zu Hause? Ist mit den Kindern alles gut gelaufen? Lola ist so süß. Nach dem Aufwachen hat sie mir überschwängliche Liebeserklärungen gemacht. Die Kinder, die du mir geschenkt hast, sind das Schönste in meinem Leben. Geht es dir gut?« Ich sage zu allem ja. Etwas zaghafter fährt er fort. »Ich weiß, du machst dir Sorgen wegen der Arbeit.« Ich traue meinen Ohren kaum. »Duwirst bald etwas anderes finden. Bei der dicken Abfindung, die du bekommst, kannst du das ganz in Ruhe angehen. Ich bin ja auch noch da. Lass dir Zeit, ruh dich aus. Wir müssen uns Freiräume nur für uns beide schaffen. Du solltest die Gelegenheit nutzen und wieder schreiben. Ich finde, du hast Talent.«
    Soso, ich habe also keine Arbeit mehr. Köstlich. Lange habe ich den Job ja nicht gemacht. Gestern habe ich meinen Einstand gefeiert, und heute stehe ich auf der Straße. Trotzdem bin ich erleichtert, dass ich nun alle Zeit der Welt habe, um Nachforschungen über mein Leben anzustellen.
    »Du müsstest dir nur die richtige Geschichte ausdenken, ein schönes Thema, irgendetwas Originelles …« Pablo schwelgt weiter in literarischen Anregungen, und ich muss aufpassen, dass ich nicht lospruste. »Ich kann leider gleich nicht mit dir zu Mittag essen, aber du wirst mir fehlen. Bis heute Abend, mein Schatz … Liebst du mich? Bist du zu Hause, wenn ich komme?« Er wirkt irgendwie nervös.
    Ich antworte ja mit dem ganzen Impetus meiner Verzweiflung, doch er hat wohl ein Zaudern in meiner Stimme gespürt.
    »Bist du sicher?« Er darf nichts davon erfahren.
    »Pablo, du bist der wunderbarste Mann, den ich kenne. Willst du mich heiraten?«
    Er lacht. »Meine Liebste, ich werde dich mit dem allergrößten Vergnügen immer wieder heiraten. Hab einen schönen Tag, meine Zukünftige.«
    Ich lege auf. Es stimmt also, wir sind verheiratet! Madame … Wie haben sie mich heute Morgen genannt? Ein schrecklicher Name. Ich muss mich dringend mit den Fotoalben beschäftigen. Und wo ist eigentlich mein Ehering?

    Nichts. Diese Anhäufung von lächelnden Mündern, von Urlauben, Geburtstagen und Gesichtern sagt mir rein gar nichts. Mit jeder neuen Seite warte ich vergeblich auf einenSchock, einen Schatten, einen Faden, an dem ich den ganzen Rest hervorzerren kann, aber es ist das Fotoalbum einer Fremden, und ich blättere ungeduldig weiter. Ein Double von mir lächelt, schmollt, stützt sich auf unbekannte Schultern, wiegt Babys im Arm, posiert neben irgendwelchen Freunden von früher (an manchen hat der Zahn der Zeit ganz schön genagt), winkt an der Seite von … Na, so was, wer ist denn der Mann, der da den Arm um meine Mutter gelegt hat? Der Fotoroman meines Lebens bietet mir die eine oder andere Überraschung. Ich habe das Gefühl, ich hätte eine Doppelgängerin. Am meisten verwirren mich die Bilder, auf denen ich schwanger bin. Beim ersten Baby habe ich am ganzen Körper zugelegt, beim zweiten nur am Bauch. Doch ich habe ein üppiges Dekolleté, bestimmt Körbchengröße D. Und nach Pablos lüsternem Blick auf einem der Bilder zu urteilen, scheint mein slawischer Latino durchaus Gefallen an diesen Rundungen zu finden. Fotos aus dem Leben einer Verrückten. Und diese Verrückte bin ich. In diesem bunten Allerlei taucht kein einziges Hochzeitsfoto auf. Auch in der Wohnung hängt keins. Ich stelle voller Genugtuung fest, dass mir offenbar immer noch vor Ess- und Wohnzimmern graut, in denen von der Wand ein Paar aus dem unbefleckten Weiß seiner Eintracht herauslächelt. Das eingerahmte Spießertum! Das Telefon klingelt erneut.
    »Ich bin wieder da. Hallo, meine Liebe, wie geht es dir? Und wie ist Youris Theaterstück gelaufen? Hoffentlich hast du Fotos gemacht … Marie, bist du noch dran?«
    »Ja, ich höre dir zu.« Die Stimme meiner Mutter. Für einen Augenblick bin ich erleichtert. Am liebsten würde ich ihr sagen, dass ich keine Ahnung von Youris Theaterstück habe, dass ich mich freue, dass sie noch
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