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Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Titel: Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)
Autoren: Henryk M. Broder
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steuerlich groß zur Kasse gebeten zu werden.
    Je mehr aus dem Füllhorn des Wohlfahrtsstaates über das Volk ausgeschüttet wurde, desto größer wurde die Zahl der Anspruchsberechtigten. Von Januar 2005 bis Ende 2012 haben der Bund und die Kommunen über 355 Milliarden Euro für Langzeitarbeitslose und andere Zuwendungen ausgegeben. Allein die Verwaltungskosten für die Verteilung der Mittel beliefen sich auf über 30 Milliarden Euro. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen? – sprechen die Sozialverbände von einem »noch nie da gewesenen Ausmaß an Armut« in Deutschland und rufen zur »Umfairteilung« auf.
    Was meint also die Kanzlerin, wenn sie sagt: »Wohlstand auf Pump geht nicht mehr, das muss allen klar sein.« Weniger Subventionen? Weniger Sozialleistungen? Und das im Wahljahr, wenn alle Parteien die Spendierhosen anhaben und den Wählern noch mehr Geschenke versprechen, von denen sie genau wissen, dass sie nur auf Pump finanziert werden können, also mit neuen Schulden?
    Der Posten »Bundesschuldenhaushalt« liegt im laufenden Jahr bei 11 Prozent des Bundeshaushalts. Es werden also etwa 33 Milliarden Euro für den Zinsendienst und die Tilgung der Kredite ausgegeben, die der Bund aufgenommen hat. Ebenso viel wie für Verteidigung. Zugleich werden etwa 17 Milliarden neue Kredite aufgenommen. Im Entwurf waren ca. 18,7 Milliarden eingeplant. Das also ist das Sparmodell: Man gibt nicht etwa weniger aus, man macht nur minimal weniger Schulden.
    Und wenn die Kanzlerin dann auf die Frage, ob die deutsche »Reformpolitik« ein Vorbild für Europa sein könne, antwortet: »Ich sehe Deutschland als ein Land, an dem man gut sehen kann, dass Reformen wirken«, dann ist das ein klassischer Nullsatz, der keine Aussage darüber enthält, welche »Wirkung« gemeint ist. Man kann sowohl Gewinne wie Verluste »erwirtschaften«.
    Deutschland will also mit gutem Beispiel vorangehen, dem Rest Europas den Weg weisen. Auch das ist kein Versuch, Europa zu germanisieren, sondern Ausdruck des neuen deutschen Euro-Patriotismus, dessen Repräsentanten ihre Reden immer mit den Worten »Gerade wir als Deutsche …« anfangen. Sie meinen es gut, sie wollen nur das Beste. Ich nehme ihnen das sogar ab, denn es hat noch nie einen Politiker oder eine Regierung gegeben, die nicht das Beste gewollt hätten. Von Stalin über Mao und Nicolae Ceau ˛ sescu bis Fidel Castro, Hugo Chávez und José Manuel Barroso.
    Sie halten diese Analogie für vollkommen überzogen? Der Präsident der EU -Kommission in einer Reihe mit einigen der übelsten Gestalten des 20. Jahrhunderts? Nun, es waren nicht nur üble Gestalten, es waren auch große Gestalter, Visionäre und Utopisten. Barroso ist auch einer. Wenn Sie sich mal richtig gruseln wollen, dann lesen Sie den Generalplan für Europa, den »President Barroso« in einer Rede vor dem »Brussels Think Tank« am 22. April 2013 entworfen hat. Leider hat keine deutsche Zeitung diese Rede abgedruckt, vielleicht weil sie auf Englisch gehalten wurde. Es ist ein Dokument des Größenwahns, der seinem Ziel zuliebe, einer »federation of nation states«, alles unter sich begräbt, das der »Integration« im Weg stehen könnte. Auch Barroso erkennt an, dass Europa sich in einer Krise befindet. Die Ursache der Krise sieht er aber nicht in der bisherigen Politik der Bevormundung und Homogenisierung, sondern in der Zögerlichkeit der Europäer, eine »echte ökonomische und monetäre Union« herzustellen, wobei der Europäischen Kommission, also Barroso und seinen 28 Kommissaren, eine Hauptrolle zukommt. Die »Autorität« der Europäischen Kommission, sagt deren Präsident, gehe über die Aufgabe, die »Kompatibilität der nationalen Gesetze mit den Gesetzen der europäischen Gemeinschaft« zu überprüfen, weit hinaus. Sie habe auch den Auftrag, die »Verfassungsordnung der Mitgliedsstaaten« auf ihre Vereinbarkeit »mit den Werten der Europäischen Union« zu untersuchen.
    Atemberaubend, nicht wahr? 28 nicht gewählte Volkskommissare thronen über den nationalen Parlamenten und prüfen, ob deren Gesetze mit den »Werten der EU « zu vereinbaren sind. An einer anderen Stelle sagt Barroso, die »Fata Morgana einer strikten nationalen Unabhängigkeit« müsse zugunsten einer »europäischen Interdependenz«, also einer wechselseitigen Abhängigkeit, aufgegeben werden. Dabei würden »konkrete Errungenschaften« eine »De-facto-Solidarität herstellen«.
    Aufrichtiger, ehrlicher und klarer kann man ein Komplott
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