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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
Autoren: Anthony Mark
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hatte, da wusste sie endlich, wer er war, wer sie die ganze Zeit geführt hatte, ihr geholfen und sie an diesen Ort geführt hatte.
    »Sie sind Marius«, murmelte sie in die Schatten hinein, so als würde er zuhören. »Sie sind Marius Lucius Albrecht. Irgendwie sind Sie noch immer am Leben. Sie sind nicht 1684 gestorben. Sie sind Philosoph geworden. Das stand in der Datei; darum haben die Philosophen sie gelöscht. Sie wollten verhindern, dass ich die Wahrheit erfahre.«
    Aber er wollte es. Warum nur?
    Deirdre hielt die Antwort auf diese Frage in ihrer Hand. Das Tageslicht draußen vor den hohen Fenstern wurde dunkler; ein Sturm musste heraufziehen. Sie stellte die Laterne näher heran, drehte an dem Docht, um das goldene Licht heller zu stellen, dann schlug sie das Tagebuch auf und beugte sich darüber.
    Sie sollten das nicht lesen. Denn wenn Sie dies tun – wenn Sie die in diesem Journal enthaltenen Geheimnisse erfahren, wenn Sie die Philosophen als das sehen, was sie in Wirklichkeit sind – dann werde ich Sie so sicher verdammt haben, wie ich sie vor über dreihundert Jahren verdammt habe. Die Philosophen werden Sie verurteilen, sie werden Sie mit all der ihnen zur Verfügung stehenden Macht jagen, und sie werden Sie vernichten.
    Und doch bitte ich Sie in Hermes' Namen, weiterzulesen.
    Vergeben Sie mir die Leichtfertigkeit dieser Worte, denn ich muss sie in Eile niederschreiben. Es ist eine Ironie, dass ich als Wesen, das unsterblich ist, nur so wenig Zeit habe, um diese Seiten zu füllen, aber sie werden bald in meine Richtung blicken. Sie schlafen nicht, im Gegensatz zu jenen, die sie verstehen wollen, und sie haben mich immer unter Beobachtung gehalten. Von Anfang an haben sie meine Absichten infrage gestellt, selbst als sie mich in einen der ihren verwandelt und mich in ihren Orden aufgenommen haben.
    Und dennoch, ist es nicht sicherer, den Wolf dort zu halten, wo man ihn sehen kann? Aber ich weiß jetzt, dass ich in diesem Possenspiel das Lamm spielen muss, und es ist fast vorbei, ob nun im Guten oder Schlechten. Könnte ich doch bloß einen Computer benutzen, um diese Worte schneller niederzuschreiben, aber sie überwachen sämtliche dieser Geräte, und vielleicht ist es ja auch richtig so, dass ich das mit einem altmodischen Federkiel zu Papier bringe. Es erinnert an eine Zeit, die lange vergangen ist. An meine Zeit.
    Es ist nie meine Absicht gewesen, zum Unsterblichen zu werden – das ist das Erste, das Sie wissen sollten. Ganz im Gegenteil, als er mir das erste Mal begegnete, hatte das Leben für mich nicht den geringsten Wert, und im reifen Alter von vierzehn tat ich alles, was in meiner Macht stand, um es wegzuwerfen. Es war der Frühling des Jahres 1668, und Edinburgh fing gerade an zu stinken.
    In dieser Ära war Edinburgh eine der am dichtesten besiedelten Städte von ganz Europa, denn sämtliche Bürger hatten sich aus Angst vor den Engländern hinter die Stadtmauern zurückgezogen. Sie hatten hier Schutz gesucht. Gefunden hatten sie Dreck und Armut, Krankheit und Tod.
    Auf dem Friedhof Greyfriars unterhalb von St. Giles, der sich an der Cowgate entlangzog, stapelten sich die Leichen mit kaum einer Schicht Erde dazwischen, so dass nach den schweren schottischen Regenfällen Gliedmaßen Baumwurzeln gleich aus dem Boden ragten. Den Lebenden ging es nicht viel besser. Da sie sich wegen der einengenden Beschränkung der Stadtmauern nicht ausbreiten konnten, bauten die Einwohner von Edinburgh stattdessen in die Höhe. Holzverschläge sprossen auf den Oberseiten der Steingebäude wie von der feuchten Luft genährte Pilze. Es waren elende Behausungen, im Winter zugig, im Sommer unerträglich heiß, und das ganze Jahr über rattenverseucht, mit winzigen Fenstern, die nur weit genug geöffnet werden konnten, um den stinkenden Inhalt der Nachttöpfe auf die Straße – und jeden unachtsamen Passanten – kippen zu können.
    Diese Mietbaracken fingen ständig Feuer oder stürzten gleich ein und rissen ihre unglückseligen Bewohner mit sich. Dennoch sorgten sie dafür, dass die Einwohnerschaft von Greyfriars beständig wuchs. Aber so ungesund und unsicher sie auch waren, die Leute, die in ihnen wohnten, waren nicht mal annähernd die Ärmsten der Stadt. Denn in dieser überfüllten Stadt gab es noch eine andere Richtung, in die man bauen konnte – und das war in die Tiefe.
    Es ist unmöglich zu sagen, wann die Ausschachtungen in Edinburgh ihren Anfang nahmen. Vielleicht griffen in der grauen Zeit vor
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