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Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung

Titel: Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
Autoren: Anthony Mark
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seine Haut so rosig und frisch wie die eines Neugeborenen. Aber vielleicht war er ja auch in gewisser Weise wie ein Baby. Er machte einen Schritt, in der festen Überzeugung, noch nie zuvor auf diesen Beinen gegangen zu sein.
    Er schaute nach unten und sah eine verkohlte, entfernt menschlich aussehende Leiche. Die verkrümmte Gestalt qualmte noch immer.
    »Du hattest recht, Grace. Dakarreth hatte Angst davor, das zu werden, was er unbedingt werden wollte – er hatte Angst vor der Transformation. Am Ende wich er vor dem Feuer zurück.«
    »Aber du nicht, Travis. Du hattest keine Angst.«
    Und ob ich die hatte, Grace. Ich hatte solch schreckliche Angst. Ich habe einfach nur nicht losgelassen. Er lächelte bloß als Antwort.
    Falken stützte Melia, die mit zögernden Schritten näher kam. Die Lady betrachtete die Überreste des Nekromanten. Ihr strömten Tränen die Wangen hinunter, aber sie sagte kein Wort.
    »Was ist mit den Krondrim?« wollte Lirith wissen und rieb sich den Hals, während sie sich der Mauerbrüstung näherte.
    Durge blickte in das Zwielicht. »Die Feuer brennen aus. Ich vermute, sie fielen mit ihrem Herrn.«
    Falken nickte. »Ihr habt recht, Durge. Dakarreth hat die Flammenpest verursacht. Als er verging, vergingen auch die Krondrim.«
    Travis seufzte. Eine Brise liebkoste sein Gesicht, und er wandte sich nach Osten. Am Horizont schimmerte ein warmes, goldenes Licht. Die Morgendämmerung. Die einzig echte Morgendämmerung.
    Eine kleine Gestalt ging auf nackten Füßen an Grace vorbei und blieb vor ihm stehen. Der Wind wehte das ungebändigte Haar aus ihrem Gesicht. Er lächelte und schaute in Augen voller Gelassenheit; das eine war wunderschön, das andere verschwand teilweise hinter einem zur Hälfte geschmolzenen Lid.
    Tira streckte die kleinen Hände aus. »Krondisar«, sagte sie.
    Travis warf Grace einen überraschten Blick zu. Sie hatte die Augen weit aufgerissen. Er sah Melia und Falken an, aber sie konnten das Kind ebenfalls nur anstarren. Er kniete nieder und schaute erneut in Tiras heiteres Gesicht. Er streckte ihr die Hand hin, und erst jetzt bemerkte er, daß er noch immer Krondisar hielt. Er öffnete die Hand, einen Finger nach dem anderen. Der Stein des Feuers glänzte matt auf seiner Handfläche. Er war nun völlig inaktiv.
    Grace setzte sich in Bewegung. »Tira – nein!«
    Das Mädchen lachte hell, dann nahm es den Stein in beide Hände.
    Er verbrannte sie nicht. Statt dessen pulsierte Krondisar mit einem rubinroten Licht. Wie Travis bereits schon einmal zuvor gesehen hatte, tanzte eine schimmernde Aura Tiras Umrisse entlang, die so rot wie der Stein war. Nur daß er diesmal wußte, daß es alle sehen konnten.
    Durge ergriff Graces Arm und hielt sie zurück. »Nein, Mylady. Ihr dürft sie nicht berühren.«
    Grace nickte, und als Durge sie losließ, blieb sie stehen, aber sie sah Tira betroffen an.
    Tira lächelte zu Travis hinauf, dann wandte sie sich Grace zu. »Krondisar«, sagte sie wieder. Mitten auf ihrer Brust pulsierte ein Licht unter ihrem Kleidchen, das mit dem Pulsieren des Steins übereinstimmte. Dann wuchs das Licht an, bis Tiras ganzer Körper leuchtete.
    Lirith keuchte auf. »Was geschieht mit ihr?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Falken.
    »Ich schon«, sagte Melia. Die Lady trat vor, wieder bei Kräften, jetzt, wo der Stein nicht mehr gegen sie eingesetzt wurde. Sie kniete vor dem Kind nieder. »Willkommen, Schwester.«
    Tira berührte Melias Wange mit der kleinen Hand. Dann verließen die Füße des Mädchens den Steinboden, als sie in die Luft schwebte.
    »Nein!« schrie Grace und griff in die Höhe.
    Aber sie war viel zu langsam. Tiras kleiner Körper strahlte immer heller, bis das Mädchen nicht mehr zu erkennen war und ein greller Lichtfunke dort schwebte. Der Funke raste in den Himmel und wurde dabei immer schneller, bis er die anderen Sterne erreichte, die am vormorgendlichen Himmel schimmerten – und zwischen ihnen hängenblieb. Der neue Stern leuchtete im Osten mit einem sanften Licht, so klar wie ein Rubin.
    »Sehet«, sagte Melia leise. »Eine Göttin ward geboren.«

40
    Grace sah zu, wie der Horizont in Flammen stand, als ein neuer Morgen nach Eldh kam. Ein frischer Wind blies über den See und nahm den dunklen Qualm der Nacht mit sich.
    »Wer war sie?« fragte Lirith und betrachtete den rubinroten Stern, der lief am Himmel stand.
    Falken stellte sich neben die Hexe. »Ich weiß nicht, ob wir das jemals genau erfahren werden. Ich glaube, sie
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