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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
Autoren: Anthony Mark
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lächelte und versuchte dem leuchtenden Mann zu sagen, daß alles in Ordnung war, daß ihn jetzt das Feuer verschlingen würde. Aber bevor er ein Wort sagen konnte, wich die letzte Kraft aus seinen Beinen, und der schmutzige Boden raste auf ihn zu.
    Max, ich komme.
    Dann löste sich die Welt auf, aber nicht in Feuer, sondern in Dunkelheit.

38
    Es war sehr spät. Oder sehr früh.
    Grace starrte von ihrer provisorischen Bettstatt auf dem Boden in die Himmelskuppel und beobachtete, wie der Mond der schwarzen Linie des Horizonts entgegensank. Vermutlich würde ihr der Satellit der Erde mittlerweile merkwürdig vorkommen – so klein, so kalt, so schrecklich fern. Sie hatte sich in der Zwischenzeit an den riesigen, honiggoldenen Mond Eldhs gewöhnt.
    Sie zählte sorgfältig in Gedanken, aber der Mond bestätigte ihre Schlüsse. Die Kugel nahm an Größe zu und war als fast perfektes Viertel zu sehen.
    Heute ist der siebte Tag seit unserem Aufbruch aus Calavere, Grace. Das bedeutet, nur noch acht Tage bis zum Vollmond. Acht Tage, bis …
    Grace kniff die Augen zusammen. Im Süden löste sich ein silbriges Wolkengespinst auf und enthüllte einen pulsierenden roten Fleck. Er verlieh dem Mond einen blutroten Schimmer.
    Ein leises Klirren hallte durch die Luft, gefolgt von dem tiefen, beruhigenden Laut einer vertrauten Stimme.
    »Mylady. Alles in Ordnung?«
    »Durge.« Sie sprach den Namen wie ein Gebet.
    Der Ritter ging neben ihr in die Hocke. In dem schwachen Licht sah sein Gesicht so zerklüftet wie der Mond aus, aber ihr entging nicht die Sorge, die in den tiefliegenden Augen schimmerte. Wie schon so oft fiel Grace seine Kompaktheit auf. Durge war kein großer Mann, aber selbst in der Dunkelheit waren der Umfang seiner nach vorn gekrümmten Schultern, die Breite seiner Brust und die Härte seiner Arme und Beine deutlich zu sehen. Mit fünfundvierzig hielt sich der Ritter vermutlich für alt, aber für Grace war er wie ein vom Wind verwitterter Felsen, der durch die lange Zeit, die er den Elementen getrotzt hatte, scheinbar nur noch stärker geworden war.
    Er legte den Kopf schief. »Mylady?«
    »Ich habe mir nur den Mond angesehen.«
    Durge nickte. Sie brauchte nicht mehr zu erklären.
    »Ihr solltet noch etwas schlafen, Mylady. Es sind noch zwei Stunden bis zur Morgendämmerung.«
    »Ja«, erwiderte sie, aber sie rührte sich nicht, und er auch nicht.
    »Erreichen wir heute Ar-Tolor?« fragte sie nach einer Weile.
    »Das hatte ich gehofft, Mylady. Aber wir wurden in Falanor … aufgehalten. Ich wünsche mir nur, daß es uns gelingt, vor Einbruch der Dunkelheit die Brücke über den Dimduorn zu überqueren und Toloria zu betreten. Von dort sind es bis zum Schloß der Königin nur noch fünf Meilen auf einer guten Straße.«
    Grace dachte darüber nach, dann schaute sie an Durge vorbei. Im schwachen Licht der Überreste des Feuers konnte sie mühsam fünf schlafende Gestalten ausmachen. Zwei drängten sich eng aneinander: Daynen und Tira. Lirith und Aryn schliefen in der Nähe von ihnen. Nur die letzte Gestalt lag ein Stück abseits.
    »Wie geht es Meridar?« fragte Grace.
    »Er … ruht sich aus, Mylady. Der Wein, den Ihr ihm gegeben habt, scheint ihn beruhigt zu haben.«
    Beinahe hätte Grace in der Dunkelheit gegrinst, aber ihre Züge waren so angespannt, daß sie fürchtete, sie könnten zerspringen. Sie hatte Meridar nach dem Essen nicht nur Wein gegeben, und Durge wußte das. Grace fühlte sich unbehaglich, daß sie Kräuter in den Becher des Ritters geschmuggelt hatte. Einen Mann zu betäuben schien mehr die Methode einer Hexe vom Schlag einer Kyrene zu sein statt einer Lirith oder einer Ivalaine.
    Aber während sie Ealanor hinter sich ließen, war Meridar zusehends unruhiger geworden. Er hatte nicht mit den anderen gesprochen, sondern nur zusammengesunken auf seinem Sattel gesessen, war ein Stück abseits von den anderen geritten und hatte oft vor sich hin gemurmelt und den Kopf geschüttelt. Zuerst hatte Grace es für Trauer über Kalleths Tod gehalten. Vielleicht machte sich Meridar Vorwürfe, weil er seinen Kameraden nicht hatte retten können. Aber als ihre Schatten länger wurden und es auf den Abend zuging, hielt sie diese Diagnose für immer weniger zutreffend. Sie wagte es, Shandis neben Meridars Schlachtroß zu lenken und den Ritter zu fragen, ob alles in Ordnung war. Zu ihrer Verblüffung hatte er gelacht.
    »Wut bietet eine gute Rüstung für die Furcht, Mylady«, hatte er mit harter Stimme gesagt.
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