Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Titel: Die Letzte Liebe Meiner Mutter
Autoren: Dimitri Verhulst
Vom Netzwerk:
seinen Urlaubsträumen entmutigen wollte, aber jetzt war sie doch langsam gespannt, mit welchem Vorschlag er nach alldem noch kommen konnte.

Kapitel 4
    A n der heimischen belgischen Küste war eigentlich nichts auszusetzen, solange man mit dem Rücken zur Strandpromenade blieb, um die traurigen Betonkästen mit Ferienapartments nicht sehen zu müssen. Deprimierende Bunker mit Balkon, die man für eine Woche mieten konnte, zu horrenden Preisen. In den Apartments hatte der Tourist eine kleine Küche, eine Dusche mit leicht verschimmeltem Vorhang, ein Sofa, das jemand mit viel logistischem Geschick zu einem Bett umbauen konnte, und, mit etwas Glück, sogar einen Farbfernseher, jawohl. Bei schlechtem Wetter, oft also, konnte man in so einer Urlaubswohnung dasselbe tun wie zu Hause. Nur – was sollte das bringen, sich im Urlaub wie zu Hause zu fühlen? Wer wollte dafür Geld ausgeben? Wohlgemerkt, Wannes wusste einen Spaziergang am Meer durchaus zu schätzen, aber wenn, dann im Winter, wenn es schon stürmte und er den Strand für sich allein hatte. Den Strand und den angespülten Müll. Und dann auch nicht länger als eine Stunde, das Meer war schließlich doch nur das Meer, eine geflutete Leere. Ohne all das Wasser wäre es bestimmt bloß ein Parkplatz gewesen. Man musste schon zu diesen introspektiven Spinnern gehören, sollte die salzige Pfütze einen stundenlang fesseln.
    An den Strand, den belgischen noch dazu – also nein, daran durfte er gar nicht erst denken. Und im Sommer schon überhaupt nicht: die verirrten Federbälle im Gesicht, die im Picknickkorb gelandeten Strandbälle, die aus der Bahn geflogenen Frisbees, die herumschießenden Gummis eines Jokari-Spiels, die Quallen, die wie Landminen im Sand lagen und auf einen Fuß warteten (deinen!), die Muschelscherben, die dir in die Zehen schnitten, wovon du ein paar Tage später noch eine Entzündung bekamst. In einem Angsttraum hörte Wannes schon eine Durchsage, die ganze Küste entlang: »Der kleine Jimmy wird von seiner Mama und ihrem neuen Mann gesucht – sie warten auf dich an der Stange mit der Banane. Ich wiederhole: Der kleine Jimmy wird von seiner Mama und ihrem neuen Mann …« Ganz zu schweigen vom Immer-Gleichen so einer Reise! Noch vor der Abfahrt wusste man schon, dass man einen geschlagenen Nachmittag lang eine Sandburg bauen würde. Eine Stunde würde man im Gokart, einem Quistax Benny, herumfahren und eigentlich schon nach fünf Minuten genug davon haben. Man würde minigolfen, wild entschlossen, diesmal zu gewinnen, um dann gleich bei Station 1, wo man den Ball eigentlich nur gerade zu schlagen brauchte, mit sieben Punkten Rückstand dazustehen. Einen Drachen würde man kaufen und drei Stunden benötigen, ihn in die Luft zu bekommen, worauf das Seil riss und die Investition – nun ohne weitere Hilfe – zu den Sternen entschwebte. Im Lunapark würde man nach einem Teddybären angeln, obwohl man überhaupt keinen wollte, viel lieber hätte man eine Uhr. Doch weil Teddys sich nun mal leichter angeln lassen als Uhren und man lieber mit etwas nach Hause ging als mit nichts, entschiede man sich doch für den Teddy, der praktizierte Pragmatismus sozusagen, worauf man mit leeren Händen und einer Scheißlaune den Rummel verließ, vor sich hin fluchend: »Diese Dinger sind so eingestellt, dass man gar nichts erwischen kann !« Um dann jemand juchzen zu hören, der eine Uhr erwischt hatte, eine herrliche Seiko Quartz, nach nur einem Versuch. Man würde sich trösten mit der Behauptung, die Uhr sei doch nur ein Imitat aus Fernost. Doch damit wären die möglichen Zerstreuungen auch schon zu Ende. Zwei Sandburgen bauen und zweimal Minigolf spielen in ein und demselben Urlaub wäre doch etwas zu viel der Banalität. Zuletzt würde man dumpf und ratlos vor Langweile zum Stand von Radio 2 gehen, wo gratis Ballons verteilt wurden sowie Probierpackungen für einen neuen Brotaufstrich, Minarine oder so, und dort den sich selber playbackenden Willy Sommers hören.
    »Was hast du denn gegen Willy Sommers?«, hatte Martine konstruktiv mitgedacht.
    Gegen Willy Sommers hatte Wannes natürlich gar nichts, obwohl er den Dschungelsound von Afric Simone viel lieber mochte. Es ging auch nicht um Willy Sommers, es ging um das Immer-Gleiche so eines Urlaubs.
    Was sollten sie überhaupt am Meer machen? »Dein Kleiner kann ja noch nicht einmal schwimmen, mit seinen elf Jahren!«
    »Du weißt genau, warum Jimmy nicht schwimmen kann. Vom Schwimmunterricht kommt er immer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher