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Die Leiche im rosa Nachthemd

Die Leiche im rosa Nachthemd

Titel: Die Leiche im rosa Nachthemd
Autoren: A. A. Fair
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ganzen Nachmittag
verbrachte ich über den Wälzern. Aus den Klatschspalten klaubte ich die Namen
von Oakviewer Bürgern, die auf gesellschaftlichen Veranstaltungen mit dem
Ehepaar Lintig zusammengetroffen waren. Ich stellte sie in Gruppen zusammen und
zog die heraus, die häufiger zusammen mit den Lintigs genannt waren. Ich wollte
mir einen ungefähren Eindruck darüber verschaffen, in welchen Kreisen das
Arztehepaar verkehrt hatte.
    Das Mädchen mit dem
kastanienfarbenen Haar pendelte zwischen seinem Schreibtisch und der
Schreibmaschine, die offenbar hinter der spanischen Wand stand, hin und her. Die
Männerstimme war nicht mehr zu hören, aber ich dachte an das warnende Husten
und machte keinen Versuch mehr, mit der Provinzblatt-Schönheit ins Gespräch zu
kommen. Auf der Quittung hatte sie mit »Marian Dunton« unterschrieben.
    Gegen fünf ging ich zurück ins
Hotel und machte mich frisch. Sie erschien Punkt sechs in der Halle.
    »Wie ist die Bar?« fragte ich.
    »Recht anständig«, meinte sie.
    »Glauben Sie, daß sich durch
einen Cocktail das Essen besser ertragen läßt?«
    »Möglich wär’s...«
    Wir tranken jeder einen
trockenen Martini. Als ich meinte, daß man auf einem Bein doch schlecht stehen
könnte, fragte sie: »Wollen Sie mir zu einem Schwips verhelfen?«
    »Na hören Sie mal! Von zwei Martinis?«
    »Tja, wenn’s bei den zweien
bliebe...«
    »Weshalb sollte ich Ihnen denn zu
einem Schwips verhelfen wollen?«
    »Das weiß ich leider noch
nicht. Und nun erzählen Sie mir mal, wie man sich als Angestellte eines
Provinzblättchens ein zusätzliches Taschengeld verdienen könnte.«
    »Ich kann noch nichts Genaues
sagen. Es kommt auf die heiße Spur an.«
    »So? Inwiefern?«
    »Es kommt darauf an, wie heiß
sie ist und wer sie angeheizt hat.«
    »Ach so.«
    Ich ließ mir noch zwei Martinis
mixen. Dann sagte ich: »Ich höre zu.«
    »Sehr lobenswert. Man findet
heutzutage nur noch wenige Menschen, die das können.«
    »Haben Sie damit schon mal Geld
verdient?« fragte ich.
    »Nein.« Dann, nach einer
kleinen Schaltpause: »Sie etwa?«
    »Ein bißchen schon.«
    »Wäre das auch was für mich?«
    »Nein. Für Sie springt mehr
raus, wenn Sie selber was erzählen. Wie kommt es eigentlich, daß Sie das
einzige hübsche Mädchen in der Stadt sind?«
    »Haben Sie schon eine
Schönheitskonkurrenz veranstaltet?«
    »Nein. Aber ich habe Augen im
Kopf.«
    »Das ist mir allerdings auch
schon aufgefallen.«
    Der Barmann brachte die Drinks.
    »Meine Freundin sitzt im Kino
von Oakview an der Kasse. Die Vertreter, die die Provinz bereisen, fragen sie
auch immer, wie es kommt, daß sie das einzige hübsche Mädchen in der Stadt ist.
Das muß wohl eine beliebte Großstadtmasche sein...«
    »Ich halte nicht viel davon«,
sagte ich. »Man kommt nicht weit damit.«
    »Vielleicht versuchen Sie es
dann mal mit einer anderen Tour?«
    »Gern. 1947 hatte ein Facharzt
für Augen-, Hals-, Nasen- und Ohrenleiden hier sein gutes Einkommen. Heute
hätte er es nicht mehr, schätze ich.«
    »Da haben Sie recht!«
    »Wie kommt das?«
    »Ach, da kam alles mögliche
zusammen. Es ist eine ziemlich triste und langweilige Geschichte...«
    »Mich interessiert sie aber.«
    »Zunächst mal war hier früher
ein großes Eisenbahnausbesserungswerk. Als es mit dem Eisenbahnverkehr immer mehr
bergab ging, wurde es geschlossen. Dazu kam dann die Depression in den
fünfziger Jahren.«
    »Übrigens«, fragte ich. »Wo
steht die Stimme eigentlich
politisch?«
    »Auf der Seite der reichen Provinzbosse.
Wir sind sehr von Lohnaufträgen für unsere Druckerei abhängig, müssen Sie
wissen. Und jetzt sollten wir austrinken und ins Restaurant gehen, damit uns
nicht besagte Provinzbosse die besten Bissen vor der Nase wegschnappen.«
    Im Restaurant spielte ich
unschlüssig mit der Speisekarte. »Was nehmen wir?«
    »Die Hacksteaks kommen nicht in
Frage«, entschied sie. »Und Hühnerkroketten würde ich auch nicht empfehlen.
Huhn hat es nämlich schon am Mittwoch gegeben. Das Kalbsfrikassee ist noch von
Donnerstag übrig. Bei Roastbeef kann eigentlich nicht viel passieren, und die
gebackenen Kartoffeln sind recht anständig.«
    »Eine in guter Butter gebackene
Kartoffel kann einen für vieles entschädigen«, meinte ich. »Wie kommt es
eigentlich, daß wir jetzt hier zusammen beim Essen sitzen?«
    Sie riß die Augen auf. »Sie
haben mich eingeladen.«
    »Und wie kommt es, daß ich Sie
eingeladen habe?«
    »Sie machen mir Spaß!«
    »Ich habe Sie eingeladen,
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