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Die Leiche im rosa Nachthemd

Die Leiche im rosa Nachthemd

Titel: Die Leiche im rosa Nachthemd
Autoren: A. A. Fair
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weil
Sie es darauf anlegten«, fuhr ich fort.
    »Das ist denn doch die Höhe!«
    »Und zwar deshalb, weil Ihr
Redaktionsboss mir keine interessante Geschichte entlocken konnte und hoffte,
Sie hätten mehr Glück.«
    Sie lachte. »Was sind Sie doch
für ein kluger Junge.«
    »Er ist auf ganz bestimmte
Informationen aus und hat mir zu verstehen gegeben, daß er als Gegenleistung
auch seinerseits bereit wäre, ein bißchen aus dem Nähkästchen zu plaudern.«
    »Tatsächlich?«
    »Tun Sie doch nicht so
unwissend!«
    »Bedaure — ich bin keine
Gedankenleserin.«
    Eine Kellnerin nahm unsere
Bestellung entgegen. Meine Begleiterin sah sich im Saal um. »Ist es Ihnen
unangenehm?« fragte ich.
    »Was sollte mir unangenehm
sein?«
    »Daß Charlie sieht, wie Sie mit
mir essen, bevor Sie ihm sagen konnten, daß Sie nur einen dienstlichen Befehl
ausführen.«
    »Wer ist Charlie?«
    »Der Freund.«
    »Wessen Freund?«
    »Ihrer.«
    »Ich kenne keinen Charlie.«
    »Das macht nichts. Ich glaube
nicht, daß Sie mir Einzelheiten über Ihren Herzallerliebsten erzählen werden.
Also nennen wir ihn mal Charlie. Das vereinfacht die Lage und spart Zeit.«
    »Meinetwegen. Nein, wegen
Charlie mach’ ich mir keine Sorgen. Er ist sehr tolerant«
    »Keine Schußwaffen?« erkundigte
ich mich.
    »Seine Kanone hat er mindestens
ein halbes Jahr nicht mehr benutzt«, tröstete sie. »Der Mann ist damals mit
einem Schulterschuß davongekommen.«
    »Eine bewundernswerte
Selbstbeherrschung«, lobte ich. »Ich hatte schon Angst, Charlie wäre
jähzornig.«
    »Nein, er hat viel Geduld.
Tierlieb ist er auch...«
    »Womit verdient er seine
Brötchen?« erkundigte ich mich.
    »Er arbeitet hier.«
    »Im Hotel?«
    »Nein, nein. Hier in Oakview,
meine ich.«
    »Gefällt’s ihm denn hier?«
    Die Spottlust in ihren Augen
war wie ausgelöscht. Sie attackierte grimmig ihr Roastbeef. »Ja«, sagte sie
kurz.
    »Wie schön«, bemerkte ich.
Darauf schwiegen wir uns eine ganze Weile an.
    Das Restaurant war recht gut
besucht. Von den Hotelgästen? Wohl kaum. Offensichtlich waren es zum großen
Teil Stammgäste aus der Stadt. Einige starrten Marian Dunton und ihren
Begleiter neugierig an. Vermutlich war Marian in der hiesigen Geschäftswelt gut
bekannt. Ich stellte ihr noch einige Fragen über die Stadt und bekam kurz
angebundene, aber aufschlußreiche Antworten. Sie war nicht mehr zu Spaß und
Alberei aufgelegt. Irgend etwas hatte ihr die Lust daran genommen. Etwa einer
der Neuzugänge im Speisesaal? Die Auswahl war nicht sehr groß. Es waren zwei
Männer in den sogenannten besten Jahren und eine Familie, die offenbar ganz in
ihr Essen und ihre Unterhaltung vertieft waren. Ich tippte auf Touristen, die
es hierher verschlagen hatte. Die Familie bestand aus einem mittelalterlichen
Mann mit Glatze und müden grauen Augen, einer dicken Frau, einem Mädchen von
etwa neun und einem Jungen von etwa sieben Jahren.
    Nach dem Nachtisch bot ich ihr
eine Zigarette an. Sie nickte dankend. Ich zog meine Namensliste heraus und gab
sie ihr. »Wie viele dieser Leute wohnen noch hier?« fragte ich.
    Sie studierte das Blatt ein
paar Minuten und sagte dann mit widerwilligem Respekt: »Auf Draht sind Sie. Das
muß Ihnen der Neid lassen!«
    Ich wartete auf eine Antwort.
Schließlich sagte sie: »Hier stehen fünfzehn Namen. Davon wohnen höchstens noch
vier oder fünf hier.«
    »Wo sind die anderen?«
    »Die sind der Arbeit
nachgezogen. Es waren die jungen, dynamischen Leute, mit denen Dr. Lintig
verkehrte. Ich kannte einige von ihnen. Je schlechter Oakview wirtschaftlich
dastand, desto mehr gute Leute verschwanden. 1959 gab es noch einen Rückschlag. Eine Konservenfabrik machte
bankrott und mußte schließen.«
    »Und kennen Sie die, die noch
hier sind?«
    »Ja.«
    »Wo kann ich sie erreichen?«
    »Die Namen stehen im Telefonbuch.«
    »Können Sie sie mir nicht
sagen?«
    »Ich könnte schon. Aber das
Telefonbuch ist neutraler.«
    »Verstehe.« Ich steckte meine
Liste wieder in die Tasche. Im Kino lief ein alter Film, den ich schon gesehen
hatte, in Wiederaufführung. Ich lud sie ein, und sie nahm an, konnte sich aber
nicht gerade zu großer Begeisterung aufraffen. Vermutlich kannte sie den Film
auch schon. Hinterher aßen wir noch ein Eis zusammen, und ich kramte meine
Liste wieder vor.
    »Wenn wir die Namen der Leute,
die seit damals noch in Oakview wohnen, einmal durchgehen könnten, würde ich
das Telefonbuch schonen«, sagte ich.
    Sie dachte nach. Schließlich
kreuzte sie vier Namen
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