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Die Leiche im rosa Nachthemd

Die Leiche im rosa Nachthemd

Titel: Die Leiche im rosa Nachthemd
Autoren: A. A. Fair
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mit
einem dicken Aktenordner wieder. »Suchen Sie etwas Besonderes?« fragte sie.
    »Nein«, antwortete ich, kurz
angebunden, und begann mit der Ausgabe vom 1. Januar 1947. Ich blätterte eine
Weile. »Ich dachte, Sie sind ein Wochenblatt?«
    »Jetzt schon. Damals erschien
die Stimme täglich.«
    »Weshalb hat man das geändert?«
    Sie zuckte die Schultern. »Das
war vor meiner Zeit.«
    Ich setzte mich und besah mir
die alten Zeitungsmeldungen:
    Der Marshall-Plan tritt in
Kraft und pumpt Gelder in das verarmte Europa.
    Die Truman-Doktrin verspricht
Hilfe für alle bedrohten Völker. Panama fordert den Abzug amerikanischer
Truppen außerhalb der Kanalzone, und die USA erwägen ein neues Kanalbauprojekt.
Kanada erhält die Verwaltung der Alaskastraße, Japan eine neue Verfassung.
    Ich konnte nur hoffen, daß die
Meldung, die ich suchte, auf der ersten Seite gelandet war. Für 1947 jedenfalls
zog ich eine Niete.
    »Könnte ich den Band vorläufig
noch behalten«, bat ich, »und einmal in den Jahrgang 1948 sehen?«
    Das Mädchen legte mir wortlos
den nächsten Wälzer vor.
    Die USA-Luftflotte bricht die
sowjetrussische Blockade Berlins. Die skandinavischen Länder nehmen am
Marshall-Plan teil. Israel wird als jüdischer Staat in Palästina gegründet. Der
amerikanische Präsident heißt Truman. Und wieder geht ein schönes Jahr zu
Ende...
    Die Meldung, die ich suchte,
kam in einer Juli-Ausgabe mit der Schlagzeile: » Spezialist aus Oakview
reicht Scheidung ein — Dr. Lintig gibt als Scheidungsgrund seelische
Grausamkeit an .«
    Das Blatt behandelte die Affäre
mit äußerster Vorsicht und beschränkte sich hauptsächlich auf den Inhalt der Scheidungsklage.
Der Kläger wurde von der Anwaltsfirma Poste & Warfield vertreten. Ich
erfuhr, daß Dr. Lintig als Facharzt für Augen-, Hals-, Nasen- und Ohrenleiden
eine große Praxis hatte und Mrs. Lintig eine führende Rolle in der Gesellschaft
spielte. Beide waren außerordentlich beliebt, und beide hatten sich nicht
bereit gefunden, dem Reporter der Stimme gegenüber
irgendwelche Äußerungen abzugeben. Dr. Lintig hatte den Pressemann an seine
Anwälte verwiesen, und Mrs. Lintig hatte lediglich erklärt, sie würde ihre
Darstellung vor Gericht geben.
    Zehn Tage später war der Fall
Lintig zum Gesprächsthema Nummer eins in Oakview geworden. In fetter
Balkenschrift hieß es: » Mrs. Lintig macht Mitbeklagte namhaft! Oakviews First
Lady beschuldigt rechte Hand ihres Mannes! «
    Mrs. Lintig, vertreten von
Judge J. E. Gillfoil, so hieß es in dem Artikel, hatte eine Gegenklage
eingereicht, in der Vivian Carter, Dr. Lintigs Sprechstundenhilfe, als
Mitschuldige genannt wurde.
    Dr. Lintig hatte jeden
Kommentar abgelehnt. Vivian Carter war verreist und auch nicht telefonisch zu
erreichen. Aus dem Artikel erfuhr ich auch etwas über ihre Vergangenheit. Sie
war in dem gleichen Krankenhaus als Stationsschwester tätig gewesen, in dem Dr.
Lintig als Assistenzarzt gearbeitet hatte. Kurz nach Eröffnung seiner Praxis in
Oakview hatte er sie gebeten, als Sprechstundenhilfe zu ihm zu kommen. Wie die Stimme ihren Lesern mitteilte, hatte sie
sich viele Freunde in Oakview erworben, die sich jetzt für sie einsetzten und
die in der Gegenklage aufgestellten Behauptungen als völlig haltlos
bezeichneten.
    Am nächsten Tag wußte die Stimme zuberichten, daß Judge Gillfoil um Ausstellung einer Vorladung gebeten
hatte, um Vivian Carter und Dr. Lintig vernehmen zu können. Dr. Lintig war
inzwischen geschäftlich verreist, und Vivian Carter war noch nicht zurück.
    Danach erschien nur noch
gelegentlich eine Meldung. Judge Gillfoil behauptete, Dr. Lintig und Vivian
Carter hielten sich verborgen, um sich der Vorladung zu entziehen. Poste
& Warfield wiesen diese Behauptung empört zurück und bezeichneten sie
als einen Versuch, die öffentliche Meinung in unfairer Weise zu beeinflussen.
Ihr Klient, erklärten sie, würde sich »demnächst« den Anschuldigungen
persönlich stellen.
    Der Fall geriet immer mehr auf
die Lokalseiten. Im nächsten Monat hieß es, Dr. Lintig habe sein gesamtes
Vermögen auf Mrs. Lintig überschreiben lassen. Mrs. Lintig leugnete, daß eine
Abfindung ausgehandelt worden wäre. Auch die Anwälte ließen Dementis veröffentlichen.
Einen Monat danach hatte ein gewisser Dr. Larkspur Mrs. Lintig die Praxis ihres
Mannes mit sämtlichen Apparaten und Einrichtungen abgekauft und in den Räumen
seine eigene Praxis eröffnet. Poste & Warfield beschränkten sich auf
den dürftigen
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