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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition)
Autoren: Leena Lehtolainen
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fest. Das war etwas Neues für mich.
    Riikka war zu ihrem Freund gezogen, ihr Zimmer stand leer. Jenni wiederum wollte nach Ostern als Austauschstudentin nach Cambridge gehen. Unsere kleine WG würde sich also endgültig auflösen. Da Jennis Schwester und ihre Freundinnen die Wohnung übernehmen wollten, musste ich mir demnächst eine neue Unterkunft suchen.
    «Du kannst doch zu mir ziehen», hatte Frau Voutilainen vorgeschlagen, als ich ihr davon erzählt hatte. «Ich habe ein Zimmer übrig, und du brauchst keine Miete zu zahlen, wenn du mir bei den schwereren Arbeiten hilfst. Meine Beine sind nicht mehr die jüngsten, es fällt mir schwer, die Einkaufstasche die Treppe hochzutragen.»
    Bisher hatte ich mich nicht zu dem Angebot geäußert. Es war durchaus eine denkbare Möglichkeit. Zum Jahresende hatte ich den Mietvertrag für das Ferienhaus in Torrbacka gekündigt, weil ich mich dort nicht mehr wohl fühlte. Seit ich wieder in der Stadt wohnte, hatte ich viel Zeit bei der alten Nachbarin verbracht. Während ich früher das Alleinsein genossen hatte, kam es mir jetzt gelegentlich so vor, als ob die Gedanken in meinem Kopf laut schrien; das Einzige, was sie vertreiben konnte, war die Gesellschaft anderer Menschen. Die gute Frau Voutilainen verwöhnte mich mit Piroggen und Eintöpfen und schimpfte mich aus, wenn ich trotz Schnupfen joggen ging.
    «Du holst dir noch eine Herzmuskelentzündung. Die kann auch junge Leute erwischen! Oder hast du sowieso schon Herzprobleme, von der seelischen Art?»
    Ich war sprachlos. Zuerst spielte Laitio auf mein Liebesleben an und jetzt auch noch Frau Voutilainen. Dabei hatte ich geglaubt, ich sei unergründlich und könne meine Gefühle verbergen.
    «Na ja, Herzenskummer hab ich», gab ich zu. Wir saßen bei Tee und Apfelkuchen beisammen, nachdem ich Frau Voutilainens Teppiche geklopft und ihre Wäsche aufgehängt hatte. Ich fühlte mich wie bei der Oma, die ich nie erlebt hatte.
    «War der Mann gemein zu dir?»
    «Nein, er war ein guter Mann. Aber er ist gestorben.»
    «Bei einem Verkehrsunfall? Warum hast du mir denn nichts davon erzählt, liebes Kind?»
    «Er ist ertrunken. Wir waren nur kurz zusammen, und damals habe ich gerade für die Abgeordnete Lehmusvuo gearbeitet und dich kaum gesehen.»
    Die Nachbarin tätschelte mir die Wange wie einem Kleinkind.
    «Ich sage nicht, dass es andere Männer geben wird. Das kommt, wie es kommt. Aber zuerst musst du deine Trauer durchleben. Hatte der Mann etwas mit dem Luchsbild zu tun?»
    «Teilweise, aber er war nicht der, von dem du das Bild gekauft hast.»
    «Möchtest du es haben? Ich schenke es dir zu Weihnachten. Falls du bei mir einziehst, hängen wir es wieder an seinen alten Platz. Nimm es gleich mit. Ich habe es nur aus Mitleid mit dem Jungen gekauft, aber dir bedeutet es wirklich etwas.»
    So landete Juri Trankows Gemälde schließlich an meiner Wand. Es war nicht schlecht, Trankows künstlerische Begabung war größer als sein kriminelles Talent. Mir war immer noch nicht klar, weshalb er mir nachgestellt hatte. Offenbar hatte er geglaubt, Paskewitsch hätte Anita ermorden lassen. Vielleicht bot er mittlerweile an der Frunzenskaja oder irgendeiner anderen Metrostation in Moskau seine Gemälde feil, nette Menschen wie Frau Voutilainen kauften sie und machten Trankow dadurch allmählich zu einem redlichen Mann.
    Von der Untamontie gab es gute Busverbindungen zum Flughafen, insofern wäre es eine gute Lösung, zu Frau Voutilainen zu ziehen. Ich hatte den Verdacht, dass sie mir nicht die ganze Wahrheit über ihren Gesundheitszustand gesagt hatte. Jedenfalls schien sie häufig mit dem Taxi zum Arzt zu fahren. Sie war ein lebender Gegenbeweis zu der Behauptung, alte Leute klagten ständig über ihre Zipperlein. Selbst meine Mitschüler an der Sicherheitsakademie in Queens hatten öfter gejammert, obwohl sie doch immerhin einem Elitetrupp angehörten. Ich rechnete es meiner Nachbarin hoch an, dass sie nicht weiter nach David fragte. Sie war mir gerade deshalb lieb, weil sie mich nicht zu Geständnissen zwang.
    Ich bekam einen Weihnachtsgruß von Gary, meinem früheren Nachbarn aus der Morton Street. Er kündigte an, er werde demnächst endlich einmal nach Finnland kommen, und schickte mir ein Foto von seiner Katze Angus, die so imposant und majestätisch war, dass die Hunde in der Nachbarschaft einen weiten Bogen um sie schlugen. Auch Monika hielt Kontakt; wann immer sich die Gelegenheit ergab, telefonierten wir über Skype, schickten
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