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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Autoren: Markus Heitz
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Gebäude verließen. Das Tor, aus dem Wächter zu Sicherung kamen, hatte sie zuvor sorgfältig verkeilt. Für die Truhe mit den acht Schlössern hatte sie nicht lange gebraucht.
    Das darf ich so nicht erzählen. Sie legte sich eine neue Geschichte zurecht, wie sie an das Medaillon gekommen war, und schmückte das Ganze gedanklich aus, um mehr Eindruck zu machen. Bei aller Meisterlichkeit der Kunst des Stehlens, war die Darbietung der Geschichte vor der Versammlung ein wichtiger Bestandteil. Nâgal würde genau hinhören und am Ende vielleicht nachfragen. Eine gute Lüge durfte keine Schwächen offenbaren.
    »… gelang es mir, Tions Speerspitze zu stehlen«, schloss Diamàs und sprang auf den Steinboden zurück.
    Applaus brandete auf, der recht ordentlich ausfiel, aber nicht überschwänglich. Die Tyvoi nahmen es ihr übel, dass sie sich bereits als Trägerin der Trophäe präsentierte.
    Als nächstes ging Moìgok zur Tafel und nahm beinahe verschämt eine schwarze Haarnadel aus Tionium hervor, an der Diamantsplitter glitzerten. »Dies bringe ich«, hob er an und berichtete stehend und stockend mehr an Nâgal denn zur Versammlung gewandt, wie er einer bekannten Sängerin ihren Glücksbringer entwendet hatte. Moìgok war mit seiner Erzählung viel zu schnell am Ende, um Eindruck zu machen, so bekam er mitleidigen Höflichkeitsbeifall.
    Zwei Tyvoi zogen sich ganz zurück und verzichteten darauf, ihre Beute zu weisen. Sie wussten, dass es gegen Diamàs nicht ausreichte, und bevor sie sich wie Moìgok blamierten, ließen sie es ganz sein.
    Cothóras Hände wurden kalt und schweißnass. Ihre Aufregung stieg.
    Sie spürte den Blick des ältesten Albs auf sich, was eine Aufforderung war, an den Tisch zu treten. Die Schmerzen im Magen und an der linken Schulter brannten nach wie vor.
    »Maràkata, was brachtest du uns?«, wandte sich Nâgal an sie und zeigte mit der Silberspitze des Stabes auf sie. »Nur nicht schüchtern.«
    Cothóra räusperte sich und legte das Schmuckstück neben Tions Speerspitze, was ein Raunen auslöste. Somit traten zwei Götter in Wettstreit miteinander. Gott des Windes und des Ausgleichs, leite meine Zunge und meine Worte recht.
    »Geschätzte Tyvoi«, rief sie und sprang ebenfalls auf den Sessel, wie es Diamàs getan hatte. »Ich bringe euch das Medaillon von Samusin, das er in der Schlacht von Ushónai dem Scheusal Tros’hkál entriss, das als Tions bester Krieger galt«, rief sie und reckte sich. »Vernehmt die Geschichte, wie es mir gelang, die Heerscharen von Gläubigen zu übertölpeln, die Priester zu täuschen und die Wächter abzuschütteln, die mir auf den Fersen waren.« Sie zog ihr Gewand an der Schulter nach unten und wies auf den dunkelblauen Fleck. »Um ein Haar hätte ich meine Unendlichkeit verloren.«
    Nun richteten sich alle Augenpaare auf sie. Die Feindseligkeit, die Diamàs verströmte, lag regelrecht als ätzender Duft in der Hallenluft.
    Cothóra redete und redete, dachte sich immer neue Wendungen aus, bis sie nicht mehr weiter wusste. Sie hatte kein Gefühl, wie lange sie sprach, doch es erschien ihr endlos. Als sie auf den Boden zurücksprang, klatschten die Tyvoi begeistert und ein bisschen mehr als bei Diamàs.
    Nâgal nickte ihr zu und schrieb mit seiner Feder auf das Blatt vor sich. »Der nächste möge vortreten.«
    Cothóra zog sich von der Tafel zurück, Acátor reichte ihr einen Becher mit Wein, den sie gierig hinabstürzte und den er mit einem leisen Lachen auffüllte.
    »Du könntest die Trophäe erringen«, raunte er ihr zu und berührte sie an der unverletzten Schulter. »Eine Meisterin der Lüge und des Stehlens.«
    Sie lächelte ihm dankbar zu und freute sich über seinen Zuspruch. Schweiß rann ihr den Rücken hinab. Das war anstrengender gewesen als die Flucht vor der Garde.
    Ôpailos trat nach vorne und ging bereits theatralisch wie ein Mime. Sein wiegender Schritt, das Biegen des Oberkörpers nach rechts und links sorgte für leise Belustigung. Dann riss er vor der Tafel die rechte Hand ruckartig in die Höhe und hielt etwas zwischen Daumen und Zeigefinger, das er mit großer Geste vor Nâgal auf dem Tisch ablegte.
    Cothóra konnte nicht erkennen, was das sein sollte. Entweder es ist unsichtbar oder meine Augen sind unsagbar schlecht. Da aber auch der Älteste ein verdutztes Gesicht machte, schien sie nicht die Einzige zu sein, die sich wunderte.
    Das Raunen wurde lauter.
    »Verehrte Tyvoi«, rief er, sprang auf den Sessel und von dort auf die Tafel.
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