Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung

Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung

Titel: Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung
Autoren: Kathryn Lasky
Vom Netzwerk:
Blitz und Donner.
    Sie schob sich unauffällig ans vordere Ende des Astes. Von hier aus war es nicht weit bis zur Krone der Fichte, die neben der Platane mit der verletzten Eule stand. Nebel stieß sich ab und landete in der Fichte. Sie entdeckte einen langen Ast, der fast bis an die Platane heranreichte. Von dort aus konnte sie in die Baumhöhle hineinspähen. Doch als sie den Verletzten auf seinem Lager sah, erschrak sie sich zu Tode. Er war riesengroß und trug eine Eisenmaske vor dem Gesicht, die ihm ein abstoßend brutales Aussehen verlieh. Nebel wurde es flau im Magen. Sie musste unbedingt die Adler verständigen. Von dem fremden Eulerich ging eine so schreckliche Bedrohung aus, wie Nebel sie noch nie gespürt hatte. Doch da hörte sie den Pilger zurückkommen. Auf einmal ertönte ein grässlicher Schrei und überall flogen blutige Federn umher. Es war im Nu vorbei. Der Fischuhu lag tot auf dem Waldboden. Ein Flügel war abgerissen, ein Schnabelhieb hatte ihm den Schädel gespalten. Und als sich die Nacht über den Wald herabsenkte, breitete die fremde Eule mit der Maske die Schwingen aus und erhob sich in die Lüfte.
    Der Magen der Fleckenkäuzin krampfte sich angstvoll zusammen, als der Maskierte ausgerechnet auf dem Ast landete, auf dem sie noch saß. Würde das Scheusal sie in Stücke reißen? Der Maskierte drehte sich nach ihr um. Die Fleckenkäuzin hielt den Atem an. Noch nie hatte sie so dicht neben einer anderen Eule gesessen und war unbemerkt geblieben. Doch der fremde Eulerich blinzelte nur träge. Nicht zu fassen! Er schaut tatsächlich durch mich hindurch!
    Der Ast schwankte, als Kludd abermals mit den Flügeln schlug und sich emporschwang. Er wollte gleich seine Anhänger zusammenrufen, die Reinen. Er hatte den Fischuhu umgebracht und sich gestärk t – nun war es an der Zeit, Rache zu nehmen. Ruhm und Ehre winkten ihm. Sein Magen erbebte freudig und in Gedanken hörte er schon den Jubelruf: Kludd, wir folgen dir!

Im Großen GaʼHoole-Baum

    Die mächtige, dunkle Krone des Großen Ga’Hoole-Baums schwankte im ersten Wintersturm. „Die weiße Zeit“ nannten die Eulen diese Jahreszeit, in der sich die Ranken an den Ästen glitzernd weiß färbten. Davor kam die kupferrote Zeit. Dann leuchteten die Ranken rötlich und die Milchbeeren wurden geerntet. Die Wetterbrigade, der auch Soren angehörte, war soeben von einem Erkundungsflug zurückgekehrt. Der alte Ezylryb war der Brigadeführer und es war sein erster Dienstflug seit der Befreiung aus dem Teufelsdreieck. Sie hatten sich unterwegs prächtig amüsier t – hatten vergnügt gelärmt und gesungen und einen Schleimpupserwitz nach dem anderen gerissen. Otulissa hatte sich wie üblich beschwert, dass der ganze Flug umsonst sei, wenn sie weiter so herumdalberten, aber sie hatten sich trotzdem einen guten Überblick über die Wetterlage verschafft. „Dalbern“ war der Eulenausdruck für „Unsinn machen“. Manche Brigadeführer, Strix Struma zum Beispiel, gestatteten kein Gedalber im Dienst.
    Ezylryb dagegen sah das nicht so eng. Er fand sogar, das Gedalber stärke das Zusammengehörigkeitsgefühl der Truppe.
    Die strebsame junge Fleckenkäuzin Otulissa hielt trotzdem überhaupt nichts davon. Ganz besonders verabscheute sie Schleimpupserwitze. Immer wieder zankte sie sich mit Soren über dieses Thema.
    „Es gehört nun wirklich nicht zu unseren Aufgaben, mit Möwen ordinäre Schleimpupserwitze auszutauschen, Soren.“
    Otulissa und Soren saßen auf einem Ast vor dem Speisesaal und warteten darauf, dass Matrona zum Tagmahl rief. „Tagmahl“ hieß bei den Eulen die Mahlzeit gegen Ende der Nacht, unmittelbar vor dem Morgengrauen. Danach zogen sie sich in ihre Schlafhöhlen zurück und verschliefen den Tag bis zum Anbruch der Abenddämmerung.
    „Von Möwen kann man eine Menge lernen“, konterte Soren.
    „Das wage ich ernsthaft zu bezweifeln. Ihr Gekrächz über ihre peinlichen Witze verfälscht die Luftdruckschwankungen.“ Fleckenkäuze waren überall dafür bekannt, dass sie kleinste atmosphärische Veränderungen wahrnahmen, die einen Wetterwechsel ankündigten.
    „Du hast vorhergesagt, dass auf diesen Sturm ein Schneesturm folg t – und bitte sehr, die ersten Flocken fallen schon. Offenbar haben dich die Möwen nicht allzu sehr gestört.“
    „Hätten sie mich nicht mit ihrem Gedalber abgelenkt, wäre meine Vorhersage wesentlich genauer ausgefallen“, beharrte Otulissa. „Ich hätte den Zeitpunkt bestimmen können, wann es zu schneien
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher