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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende
Autoren: Johanna Marthens
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es, jede Gestalt, die sie sich vorstellen, anzunehmen, aber das klappt bei mir nicht.«
    »Es gibt viele wie Sie?«
    Ich hatte noch viel mehr Fragen, aber die wollte ich nicht alle auf einmal stellen, zumal ich wusste, dass er sie nicht sofort beantworten konnte. Dazu war er viel zu schwach.
    »Es gibt nicht besonders viele, und wir sind ebenso eine Rasse der Menschen wie die Vampire. Nur dass uns noch niemand entdeckt hat. Sonst würden wir vermutlich auch schon in Lagern dahinvegetieren.«
    Seine Stimme wurde noch leiser. Ich musste ihn langsam in Ruhe lassen.
    »Ich hoffe, Sie werden bald wieder gesund. Ich werde Sie nicht verraten.«
    Er nickte. »Ich weiß. Ich habe dich schon vorher mit den Vampiren gesehen, die hast du auch nicht verraten.«
    Das war meine Gelegenheit, ihn nach Matzes Leiche zu fragen.
    »Waren Sie das, der unsere Spuren an der Mühle beseitigt hat?«
    Er nickte. »Er war ein Mörder. Ihr wärt in Teufels Küche gekommen, wenn sie herausbekommen hätten, dass ihr ihn getötet habt, wenn auch in Notwehr. Dann lieber ein Bär, den sowieso jeder im Visier hat.«
    Er schloss das eine Auge.
    »Das hat uns gerettet. Vielen Dank«, erwiderte ich, obwohl ich mir nicht sicher war, ob er nicht vielleicht eingeschlafen oder gar bewusstlos war.
    In diesem Moment ging die Tür auf und eine Krankenschwester trat ein. Sie sah mich missbilligend an, als sie bemerkte, dass der Pfarrer noch bleicher geworden war, dann legte sie zwei Briefe auf den Tisch.
    »Post für Sie«, sagte sie zu dem Verletzten, der sein Auge wieder geöffnet hatte.
    »Überstrapazieren Sie ihn nicht«, warnte sie mich, bevor sie den Raum verließ.
    »Ja, vielleicht sollte ich lieber gehen«, bot ich an, doch Pfarrer Bernhard sah mich an und schüttelte vorsichtig seinen bandagierten Kopf.
    »Ich freue mich, dass du hier bist. Es ist sonst so langweilig.«
    »Soll ich Ihnen vielleicht die Post vorlesen?«
    »Das wäre nett.«
    Ich stand auf und nahm die beiden Briefe an mich. Der eine war vom Moosberger Kirchenvorstand. Woher die so schnell wussten, dass Pfarrer Bernhard im Krankenhaus lag, war mir ein Rätsel. Aber hieß es nicht, die Wege des Herrn seien unerforschlich? Ich riss den Umschlag auf und las ihm die guten Wünsche der Herren und Damen vor. Doch nur wenige Zeilen später tadelten sie ihn, in seiner Gemeinde zwei gefährliche Grabflüchter geduldet zu haben. Der Tod sei eine Gnade Gottes und wer das umginge und als Vampir wiederauferstände, wäre ein Gotteslästerer und gehöre der Brut des Teufels an.
    Er verzog den Mund. »Wenn die wüssten, was ich wirklich bin ...« Er ließ das Ende des Satzes offen, und ich stellte mir lebhaft die entsetzten Gesichter des Vorstandes bei dieser Enthüllung vor.
Auf dem Umschlag des zweiten Briefes stand kein Absender. Die Adresse war getippt. Als ich den Sinn der wenigen Zeilen erfasste, verschlug es mir den Atem. Ich hatte bisher noch niemals einen in der Hand gehalten, aber ich wusste sofort, was ich vor mir hatte: einen Erpresserbrief.
    »Das ist die letzte Warnung. Ich weiß, wer du bist. Und wo du bist. Zahle 50.000 Euro auf dieses Konto, dann wird niemand erfahren, was du getan hast.« Es folgte eine Bankverbindung.
    Ich wusste nicht, ob ich diese Zeilen wirklich laut vorlesen sollte, denn die würden Pfarrer Bernhard mit Sicherheit aufregen. Doch er schien darauf zu warten, dass ich etwas sagte.
    »Also, was steht da? Noch mehr gute Genesungswünsche?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, unwichtiges Zeugs. Eine Rechnung.«
    Ich wollte den Brief zur Seite legen, doch er griff mit seiner gesunden Hand nach mir. Er war erstaunlich stark. »Was steht da?«
    Ich räusperte mich. »Jemand weiß, was Sie sind.«
    »Das ist unmöglich.« Ich konnte sehen, wie er unter den Bandagen noch blasser wurde.
    Ich las ihm den Brief schließlich vor, wobei er mich unverwandt ansah. Als ich fertig war, schien er erleichtert.
    »Das ist in Ordnung.«
    »In Ordnung?«, fragte ich überrascht. »Da will jemand viel Geld dafür haben, dass Ihr Geheimnis geheim bleibt, und Sie sagen dazu nichts weiter? Vielleicht werden Sie auch deportiert, wenn Sie die Summe nicht zusammenbekommen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Dabei geht es um etwas anderes. Das kann ich dir aber jetzt nicht erzählen. Ich bin zu erschöpft.«
    So viel also zu meinem Helden. Auch er hatte ein Geheimnis, das offensichtlich nicht tageslichttauglich und anderen viel Geld wert war. Und es hatte nichts mit seiner Herkunft zu tun, über die
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