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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin
Autoren: Sybille Schrödter
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eigenen Zelle schläft, kann das doch niemand mehr nachprüfen«, beharrte Benedicta trotzig – und bereute ihre vorlauten Worte im gleichen Augenblick bitterlich.
    Der letzte Rest von Milde war aus dem Gesicht der Priorin gewichen, und sie musterte Benedicta mit strafendem Blick.
    »Haltet ein mit Euren frevelhaften Beschuldigungen!«, fauchte sie. »Und nun büßt auf bloßen Knien in Eurer Zelle«, fügte sie nicht minder wütend hinzu. »Bittet den Herrn um Vergebung, bis ich Euch höchstpersönlich erlaube aufzustehen, und wenn es bis zum Jüngsten Tag dauert.«
    Entsetzt starrte Benedicta die Priorin an. Schon häufig hatte diese sie bestraft, aber dass sie auf bloßen Knien herumrutschen sollte, das konnte sie doch nicht ernsthaft von ihr verlangen.
    »Aber …«, wollte sie aufbegehren, wurde aber heftig unterbrochen.
    »Und nun geht mir aus den Augen, aber rasch!«, brüllte Leonore. »Ich werde Euch lehren, was es heißt, eine Braut Christi zu sein!«
    Hastig und immer noch fassungslos verließ Benedicta die Amtszelle. Mit gesenktem Haupt schlich sie in ihre karge Kammer. Dort ließ sie sich trotzig mit bloßen Knien auf den kalten Steinboden fallen und faltete die Hände. Doch statt die Nähe zum Herrn zu suchen, überkam Benedicta die Sehnsucht nach der Welt außerhalb der Klostermauern mit solcher Heftigkeit, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie dachte an die süßen Träume, die sie früher im warmen Himmelbett gehabt hatte. Damals, als sie noch unter dem Schutz ihres gütigen Vaters gestanden hatte. In Gedanken hatte sie den Vater immer gern auf Reisen begleitet. Von überall her sah sie sich die köstlichsten Gewürze mitnehmen. So wie ihr Vater sie stets von seinen Reisen mitgebracht hatte. Mit diesen Zutaten hatte sie ihm dann köstliche Brote gebacken. In seinem Haus hatte es einen eigenen Ofen gegeben. Der Vater hätte ihr niemals verboten, mit der Köchin zusammen für ihn das Brot zu backen, um sie stattdessen zum Beten zu schicken.
    Einmal hatte sie süßes Brot gebacken. Ihr war, als wäre es gestern gewesen. Sie meinte, den unverwechselbaren Duft von Zimt wahrzunehmen. Mit einer Prise scharfen Ingwers, den er einmal mitgebracht hatte. War das wirklich schon fünf lange Jahre her?
    Benedictas Blick fiel auf eine Rute, die neben ihrer Schlafstatt am Boden lag. Sie schüttelte sich. Sie hatte sie noch niemals benutzt, verstand sie doch beim besten Willen nicht, warum sie sich selbst Schmerzen zufügen sollte. Um dann mit ihrem Blut zu prahlen wie Schwester Dietlinde? Nein, sie liebte den Herrn auf ihre Weise, wie sie ihn als kleines Kind geliebt hatte. Wollte der Herr Jesus wirklich, dass sie litt, weil er gelitten hatte?
    Ihre Gedanken schweiften zum Fechtmeister ab. Vor ein paar Monaten erst war er von einer langen Reise zurückgekehrt, die ihn als wandernden Lehrer in verschiedene Städte und an die unterschiedlichsten Höfe verschlagen hatte, wo er die Söhne der Adligen im Schwertfechten unterrichtet hatte. Nun wollte er für längere Zeit in Nürnberg bleiben. Die Bürger der reichen Stadt waren begierig darauf, den richtigen Umgang mit dem Schwert zu erlernen, und er würde wohl eine ganze Weile in dieser Stadt verweilen. Wie gern hätte Benedicta ihm einmal beim Fechten zugesehen …
    Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende geführt, da kniff sie sich kräftig in den Arm. Ich darf nicht an ihn denken, schalt sie sich und kniff sich noch einmal. Auf diese Weise versuchte sie, mit aller Macht jegliche Gedanken an den jungen Mann zu unterdrücken. Streng ging sie mit sich ins Gericht. Ich darf keinen Gedanken an ihn verschwenden. Außerdem geht es mich nichts an, was er treibt. Im Übrigen dürfte ich seine Pläne gar nicht kennen …
    Erschöpft hielt sie inne. Es nutzte nichts. Was immer sie sich einredete, ihre Gedanken blieben bei dem Fechtmeister, der ihr bislang immer nur im Vorbeigehen einen freundlichen Gruß geschenkt hatte. Aber heute? Da hatten sie richtig miteinander geplaudert.
    Und trotzdem kannte sie seine Pläne schon länger. Allein bei dem Gedanken daran, wie sie neulich ein Ohr an die Tür der Amtskammer gepresst hatte, bis es heiß geworden war, nur um ein Gespräch zwischen seiner Tante und ihm zu belauschen, lief sie rot an.
    Benedicta fröstelte und war versucht, das Gewand über die nackten Knie zu ziehen, weil der Schmerz sich kaum mehr leugnen ließ. Dann habe ich mich wenigstens so gequält, bis Blut fließt, dachte sie trotzig. Dass ihre Knie inzwischen
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