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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin
Autoren: Sybille Schrödter
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heute Nachmittag Besuch von unserem Provinzial, und wir haben über einem Problem gebrütet. Im Nürnberger Predigerkloster liegt das gesamte Küchenpersonal mit einem Fieber danieder. Und in wenigen Tagen beginnen unsere sommerlichen Fastentage, an denen wir ausschließlich Pfefferkuchen zu uns nehmen dürfen. Es gibt auch keinen Nachschub mehr, und es würde viel zu teuer, wenn wir sie außer Haus für uns backen ließen. Sagt jedenfalls der Provinzial. Und wir wissen doch alle, wie er auf dem Geldsäckel sitzt.«
    Seufzend hielt sie inne. »Ach, was rede ich so viel?«, entschuldigte sie sich. »Nun verlangt er, dass wir die Pfefferkuchen in unserem Ofen backen. Wie denn?, habe ich ihn gefragt. Wir kennen das Rezept doch gar nicht. Das ist ihm gleich. Wir sollen uns etwas einfallen lassen, denn der Mönch, der das Backen in Nürnberg zu beaufsichtigen pflegte, ist dem Fieber erlegen. Es gibt kein Rezept. Wer von unseren Schwestern aber könnte Lebkuchen backen?«
    Benedicta lauschte wie gebannt, und ihre Miene hellte sich zunehmend auf. Vor Freude schlug ihr Herz immer höher, denn zum einen hatte ihr Leonore noch nie so viele persönliche Worte geschenkt, zum anderen erkannte sie die Gelegenheit, der Priorin aus einer denkbar misslichen Lage zu helfen.
    Vergessen waren Schmerzen und Schmach. Vor Begeisterung funkelten Benedictas Augen, und ihre Wangen glühten. »Ich könnte es zusammen mit der Agnes versuchen«, schlug sie aufgeregt vor. »Ich habe doch schon einmal mit ihr aus lauter Spaß Lebkuchen gebacken, weil uns die aus dem Kloster der Nürnberger Brüder nicht sonderlich gemundet haben, und da …«
    Am Blick der Priorin war unschwer zu erkennen, dass Benedicta wieder einmal dabei war, sich um Kopf und Kragen zu reden.
    »So, so, Ihr habt also mit der Köchin zusammen gebacken, weil Euch die Lebkuchen der Nürnberger Mönche nicht schmeckten. Ihr wisst, dass Ihr in der Küche nichts verloren habt, nicht wahr? Oder habt Ihr vergessen, dass ich Euch unlängst untersagte, auch nur einen Schritt in die Küche zu setzen, nachdem Euer größtes Vergnügen darin bestand, Brot zu backen, statt zu beten?« Leonores Stimme klang scharf.
    Betreten schüttelte Benedicta den Kopf.
    »Ihr werdet verstehen, dass ich Euch nach allem, was Ihr mir eben gestanden habt, selbst wenn ich wollte und trotz meiner Not auf keinen Fall mit dieser Aufgabe betrauen kann. Wenn überhaupt, dann würde ich Euch diese Aufgabe nur erteilen, wenn Ihr endlich Demut und Gehorsam gelernt habt. Also, vielleicht nie …«
    Benedicta biss sich auf die Lippen, doch dann wagte sie einen letzten Vorstoß. »Ehrwürdige Priorin, ich werde alles tun, was Ihr von mir verlangt. Ich werde tagelang auf den Knien beten, ich werde mir das Bildnis des Herrn ansehen, bis mir schwindlig wird und ich Visionen habe, aber bitte, lasst mich mit Agnes …« Verzweifelt ergriff Benedicta ein Bildnis des Herrn am Kreuz und betrachtete es inbrünstig. »Ich werde Blut weinen, wenn Ihr mich bloß in die Küche lasst und …«
    »Nein, auf keinen Fall«, erwiderte die Priorin entschieden. »Ich werde Schwester Dietlinde fragen. Sie soll sich gemeinsam mit der Köchin an die Arbeit machen«, fügte sie mit schneidender Stimme hinzu.
    »Das könnt Ihr mir nicht antun. Dietlinde hat noch nie im Leben einen Teig gerührt. Die Lebkuchen werden ungenießbar sein. Ich hingegen habe mir ein so schmackhaftes Rezept ausgedacht. Es ist süß und …«
    »Mein liebes Kind, und wenn schon. Die Lebkuchen dienen als unsere Fastenspeise, und die muss nicht süß sein. Sie dient der Entsagung und nicht der Völlerei. Nun sagt mir nur noch: Was gehört in einen solchen Teig?«
    Benedicta schwieg trotzig.
    »Ich höre!«, bellte die Priorin und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum.
    »Mehl, Gewürze, Honig und Zucker«, erwiderte Benedicta, so schnell, dass Leonore es nicht verstehen konnte.
    »Gut, dann kommt morgen früh in meine Amtskammer und schreibt es mir auf!«, verlangte die Priorin. »Und vergesst die Mengen nicht!«
    »Die weiß ich nicht. Wir haben es nach Gefühl gemischt. Und versucht gar nicht erst, die Agnes zu fragen. Die hat sich das Rezept nicht gemerkt. Das weiß ich sicher.«
    »Benedicta, Ihr seid störrischer als ein alter Esel! Aber nun wird es mir eine besondere Freude sein, Schwester Dietlinde zu bitten«, zischte die Priorin.
    »Möge Schwester Dietlindes Teig hart wie ein Stein werden!«, stieß Benedicta wutentbrannt hervor.
    »Hätte ich Euch nicht
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