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Die Lavendelschlacht

Die Lavendelschlacht

Titel: Die Lavendelschlacht
Autoren: Michaela Thewes
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diese Wunden endlich verheilt waren?
    Eigentlich wäre Josch genau die richtige Medizin!, schoss es plötzlich durch meinen Kopf. Liebe hin oder her, ein Verhältnis mit ihm würde mir bestimmt helfen, über Thomas hinwegzukommen. Pfui, Annette!, schalt ich mich. Josch als Wund- und Heilsalbe zu missbrauchen kam überhaupt nicht in Frage. Dafür bedeutete, mir seine Freundschaft viel zu viel.
    Seufzend griff ich nach meinem Autoschlüssel und der Wegbeschreibung. Mona und Kai hatten sich dafür entschieden, auf dem Land zu heiraten. Die Idee musste von Kai stammen, denn meine Freundin war eine echte Großstadtpflanze.
    Als ich mit meinem Fiesta über das Kopfsteinpflaster des kleinen Örtchens holperte, in dem die beiden sich das Jawort geben wollten, musste ich zugeben, dass sie eine gute Wahl getroffen hatten. Keine Spur von Stress oder Hektik, die Zeit schien hier auf wundersame Weise stillzustehen. Genau wie die kleinen, schmucken Häuschen, an denen ich vorbeigefahren war, wirkte auch das Rathaus richtig nostalgisch. Die meisten Rathäuser, die ich kannte, sahen von außen genauso muffig aus wie die Beamten, die darin ihren Dienst verrichteten. Dieses hier war anders: ein leicht verwittertes, mit wildem Efeu umranktes Backsteingebäude. Ich war hellauf begeistert. Für eine standesamtliche Trauung war das ein ausgesprochen hübscher und stimmungsvoller Rahmen.
    Nachdem ich meinen Wagen unter einem alten, knorrigen Kastanienbaum geparkt hatte, stieg ich die Stufen zum Eingang hinauf. Von dem glücklichen Brautpaar weit und breit keine Spur. Dafür sah ich Thomas, der wie ein eingesperrtes Tier im Foyer auf und ab lief. Mist! Darauf, ihm allein gegenübertreten zu müssen, war ich nicht vorbereitet. Scotty, beam me up! Am liebsten hätte ich auf dem Absatz kehrtgemacht.
    Zu spät!
    Er hatte mich schon entdeckt und kam eilig auf mich zu. Toll sah er aus in seinem schnieken Anzug. Doch an der Art, wie er sich immer wieder die dunkle Haarsträhne aus der Stirn strich, konnte man erkennen, dass er nervös war. Vermutlich benagte ihm der Gedanke nicht, dass sein kleiner Bruder im Begriff war, leichtfertig seine Freiheit aufs Spiel zu setzen.
    »Wie geht’s dir?«, fragte er anstelle einer Begrüßung unsicher. Beschissen wäre noch geprahlt!
    »Danke, gut«, log ich stattdessen. So weit war es mit uns also gekommen, dachte ich frustriert. Wenn mir vor ein paar Monaten jemand prophezeit hätte, dass Thomas und ich eines schönen Tages solche hohlen, dämlichen Floskeln austauschen würden, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Trotzdem war das alle Mal besser, als über unser letztes, unerfreuliches Zusammentreffen zu sprechen. Geschrei und Tränen wollte ich Mona an ihrem Hochzeitstag wenn möglich ersparen. Darum hielt ich lieber ganz die Klappe. Thomas auch. Ein beklemmendes Schweigen lag in der Luft. Nur Linus wuselte quietschfidel zwischen unseren Beinen herum.
    Die Warterei zerrte an meinen Nerven, die ohnehin zum Zerreißen gespannt waren. Ob man wohl zur Not auf ein paar davon verzichten konnte? Ich schaute auf meine Armbanduhr. Ticktack, ticktack. Der Zeiger rückte unaufhaltsam immer weiter vor. Verdammt, wo blieben Mona und Kai bloß? In zehn Minuten sollte es losgehen.
    »Da kommt der Standesbeamte«, flüsterte Thomas mir zu. Guter Witz. Verarschen konnte ich mich alleine. Der athletische, durchtrainierte Typ, der gerade strammen Schrittes auf uns zusteuerte, sah aus wie Kojak zu seinen besten Zeiten. Seine Glatze glänzte im Licht der Deckenstrahler. Obwohl ich zugeben musste, dass ihm die »Frisur« hervorragend stand, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass so ein seriöser, ehrwürdiger Standesbeamter aussehen sollte. Brille, Rauschebart, Bauchansatz – eben so eine Art verkappter Weihnachtsmann. Das hätte meinen Vorstellungen eher entsprochen.
    »Hallo, Thomas.« Die beiden Männer schlugen sich krachend auf die Schulter. »Mensch, Alter, toll dich mal wieder zu sehen. Hast dich kaum verändert.«
    »Das kann ich von dir nicht behaupten. Bei unserem letzten Treffen hattest du mehr Haare auf dem Kopf«, zog Thomas den sympathischen Glatzkopf grinsend auf. »Aber das ist ja auch etliche Jährchen her.«
    »Mann, was waren das schöne Zeiten. Du, Dieter, Stefan und ich. Hast du übrigens schon gehört, der Dieter ist in den Bau gewandert. Steuerhinterziehung. Hat wohl so einiges am Finanzamt vorbeigeschleust, der Halunke.«
    Und in diesem Stil ging es weiter. Laber, laber, schwätz,
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