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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens
Autoren: Katharina Ley
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Abbruch, Untergang, Sterben und Tod, Scham und Schuld – alles Furcht erregende Konnotationen. Danach ginge es einem wahrscheinlich noch schlechter als jetzt, im »falschen« Leben. Wunschloses Unglück.
    »Ich halte es nicht mehr aus in meiner Ehe, aber wegzugehen ist unmöglich, ich könnte diese Schuld nie ertragen.« »Mein Mann bringt sich um, wenn ich ihn verlasse«. – »Ich habe große Zweifel, dass ich in meinem Alter noch eine neue und bessere Arbeitsstelle finde.« – »Anderswo wohnen – undenkbar, ich bin hier daheim.« – »Was ich getan habe, ist nicht wiedergutzumachen, nie. Nie werde ich diese Schuld, diese Scham überwinden können.«
    Solche Sätze weisen darauf hin, dass es Verbotenes und Unmögliches zu geben scheint, das hemmt und blockiert. Vermeintliche Verbote und Unmöglichkeiten bewirken, dass einMensch aufgrund seiner Geschichte eher unglücklich im Bestehenden und im Bewahren verharrt, als dass er sich auf den Weg zu etwas Neuem zu machen vermag. Der Weg zum Neuen ist durch Widerstände und Rechtfertigungen und Entschuldigungen versperrt. Der Grundton lautet: Es kann gar nicht besser werden mit mir. Vielleicht auch: Es darf nicht besser gehen mit mir. Ich habe es so verdient, wie es ist.
    Die Lebenskräfte sind gebunden, gefangen, blockiert, nicht brauchbar für ein eigenes Gestalten eines guten Lebens. Das lähmt, macht schwer und mutlos, gefangen und depressiv. Es erzeugt seelische und mit der Zeit auch körperliche Schmerzen. Keine verlockende Lebensperspektive. Doch offenbar scheint das Verharren gewisse Sicherheiten zu geben, die nicht aufgegeben werden können oder nicht aufgegeben werden wollen.
    Ich erlebe in meiner Arbeit mit Menschen und in meinem persönlichen Umfeld immer wieder, wie Menschen leiden, wenn sie überfällige Beziehungen zu Menschen, zu Gütern, zu eigener oder übernommener Schuld und Scham nicht beenden können. Das Bewahren wird zum Verharren, zum Klammern, zum angstvollen Nicht-aus-dem-eigenen-Unglück-aussteigen-Können. Es gibt keinerlei Vorstellung, mit dem Beenden einen befreienden Umgang zu finden. Aber eines ist klar: die Lebensenergien versiegen dabei.
    Bewahren oder beenden – wenn sich die Frage erst einmal gestellt hat, kann ein innerer Sturm ausbrechen. Es kann sich ein innerer Abgrund öffnen. Es ist in jedem Fall eine Entscheidung fällig, für das eine oder für das andere. Beispielsweise die Entscheidung, eine Psychotherapie zu beginnen, um der Ambivalenz zwischen Bewahren und Beenden endlich in Ruhe nachgehen zu können, um herauszufinden, was für einen selbst das Richtige und Notwendige ist, um die eigenen Wünsche herauszufinden. Es gibt Menschen, die ihre Wünsche nicht kennen oder in ihren Wünschen blockiert sind und sie unterdrücken. »Als das Wünschen noch geholfen hat« – war da eine echte, befreiende Veränderung möglich? Wirkennen die Geschichte, in der eine Fee einem Menschen drei Wünsche zugestanden hat. Doch es war für diesen eine völlige Überforderung, sich etwas Sinnvolles zu wünschen. Wünsche haben ihre eigene Sprengkraft und können daher Angst machen. Oft erzählen Menschen, wie sie erschraken, als sie erstmals in einer Beziehung Trennungswünsche verspürten.
    Beenden-Können ist eine wichtige Kompetenz, um gestaltend ins eigene Leben eingreifen zu können, wenn das Unglück zu einschränkend wirkt auf die eigenen Entwicklungs- und Lebensmöglichkeiten. Ein Beenden-Wollen stellt die eigenen Bedürfnisse nach Sicherheit auf die Probe. Das ist immer ein Wagnis. Der Lebensweg hat für eine kürzere oder längere Strecke kein Geländer mehr. Selbst sich einen Sündenbock zu suchen, dem man die Schuld für das eigene Unglück zuschieben kann, verleiht eben eine gewisse Sicherheit. Die Schuld, die man nicht mehr dem anderen zuschieben kann, fällt auf einen selbst zurück. Das erleben alle Menschen, die ambivalent und unglücklich in einer Beziehung verharren und sich nicht entscheiden können. Vielleicht wird auch erhofft, die andere Person entscheide sich.
    Ich werde oft gefragt, wie man denn erkenne, ob es das Richtige sei, zu bewahren oder zu beenden. Oder: wie und wann man es erkenne. Es sind gute Fragen, die an dieser Stelle noch nicht zu beantworten sind. Eine Entscheidung bedarf der Reifung, der Intuition und des Vertrauens in sich selbst. Das Vertrauen in sich selbst ist der Schlüssel. Es ist eine individuelle Frage, wie viel Zeit dafür benötigt wird, dieses Vertrauen zu entwickeln.
Die Wiederholung
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