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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin
Autoren: Stefan Nowicki
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Vorübergehen naschte, die für sie nur eine willkommene Süßigkeit darstellten, viel zu der Gesundheit der Heranwachsenden beigetragen hatten. Gerne hatte Ester dafür ihr Wissen von besonders ergiebigen Fundorten preisgegeben, das sie bisher ganz für sich behalten hatte.
    Auch der Bauer Matthes bemerkte die Veränderungen an der jungen Magd. Er sah, dass auch seine Mutter über den Sommer wieder lebendiger geworden war. Er wusste nicht, wie das vonstatten ging, spürte aber, dass der Umgang des Mädchens mit seiner Mutter gut war, und so beschloss er, diesem Geschick einfach seinen Lauf zu lassen, selbst wenn es über das nächste Jahr hinausgehen sollte.
    Ihn plagten indes andere Sorgen. Das Wenige, das sie geerntet hatten, war eingebracht. Das Futter würde für die zwei Kühe, die Ochsen, die Schweine und das andere Viehzeug reichen, darüber musste er sich keine Gedanken machen. Er wusste aber, wie sich die bevorstehende Jahreszeit, das schlechte Wetter, die Kälte und die Dunkelheit auf die Hofgemeinschaft auswirken konnten. Jedes Jahr war ihm nicht wohl bei dem Gedanken an die Monate nach der Ernte. Wie lange würde der Winter diesmal dauern? Er hasste es, in der Hütte eingesperrt zu sein, mit allen Hofbewohnern und dem Vieh in einem Raum zu hausen. Tatenlos ausharrend, bis die Vorräte immer mehr zur Neige gingen. Prüfend schaute er noch einmal hinauf zum dunkelgrauen Abendhimmel. Es würde nicht mehr lange dauern. Dann duckte er sich unter dem Türsturz hindurch, schüttelte die Gedanken zusammen mit der kühlen Luft von sich ab, um nicht noch mürrischer als sonst am Tisch zu sitzen.
    Er sollte recht behalten. Schon wenige Tage nach seinem düsteren Ahnen hielt der Winter Einzug, und es gab kaum ein Eck auf dem Hof, wo man nicht seine eisige Hand spürte. Nur in der großen Stube, bei dem Herdfeuer war es einigermaßen erträglich. Dort saßen sie dann alle am Tisch oder direkt neben dem Feuer. Die Zeit war lang, und jede Beschäftigung willkommen. Außer dem Versorgen der drei Schweine, der Rinder und besonders des neuen Kalbs, der Ziegen, Schafe und des Federviehs gab es nicht viel zu tun. So versuchten alle, den Alltag mit den Dingen zu füllen, für die im Sommer keine Zeit gewesen war. Reparaturen an Kleidung und Hausrat, das Erstellen von Flechtwerk gehörten ebenso dazu wie das wiederholte Reinigen von Koch- und Essgeschirr.
    Ursula hatte den großen Kessel jetzt schon zum dritten Mal ausgescheuert und außen von der dicken Rußschicht befreit. Der Bauer saß mit Ludger am Tisch. Sie schliffen ihre Messer. Gernot, der Knecht, und Arnulf, der zweite Bauernsohn, waren neben dem Feuer mit dem Flechten von Körben beschäftigt. Liesel und Magda saßen auf dem Boden und spielten mit Tannenzapfen. Ingrid und die alte Ester spannen im Licht der Flammen Schafswolle mit Handspindeln. Ursula sah ihnen gerne dabei zu. Immer wieder neu ließ sie sich vom Entstehen der Fäden unter den geschickten Händen der Frauen fesseln. Wie diese immer wieder die Spindel mit gekonntem Fingerschnippen zum Drehen brachten und diese sich mit wachsender Fadenlänge immer weiter zu Boden senkte, bis sie aufsetzte, die Spinnerin das neu entstandene Garn aufwickelte und die Spindel erneut kreiseln ließ. Außer den Geräuschen der Arbeiten, dem Sirren der Klingen, die über den Schleifstein gezogen wurden, dem Knacken der Äste beim Flechten und des Holzes im Feuer, war nur das Brabbeln der Kleinen zu hören. Und natürlich das Husten aus allen Ecken des Raumes, von Mensch und Tier, denn die Luft war schwanger mit dem Rauch des Feuers, der an manchen Tagen gar nicht abziehen wollte, obwohl es durch alle Ritzen und Lücken zog.
    Die Tage, an denen man kaum vor die Türe gehen konnte, wurden dann immer häufiger. Der eiskalte Wind und der Schnee machten selbst die nächste Umgebung des Gehöfts zur gefährlichen Wildnis. Die Tage selbst waren draußen schon düster, wenn es der Sonne nicht gelang, durch die dicken Wolken zu dringen. Um so dunkler war es dann in der Stube, deren kleine Fensteröffnungen längst mit Fellen und Lumpen gestopft waren. Wenn dann am späten Nachmittag die meiste Arbeit getan war, aßen sie früher, und danach, wenn der Bauer gute Laune hatte und es zuließ, fing das Geschichtenerzählen an. Der Bauer selbst und der Knecht erzählten von guten Ernten, Katastrophen, Unfällen und Geschehnissen, die sie von anderen Bauern oder im Dorf gehört hatten. Ludger schnitt mit selbstüberschätzenden Heldentaten
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