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Die Krankenschwester

Die Krankenschwester

Titel: Die Krankenschwester
Autoren: Jason Dark
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von den Strahlen, die von ihrem Körper in den anderen übergehen sollten.
    Sir James genoß diese Behandlung. Er fühlte sich so ungemein wohl.
    Der Vergleich mit Abrahams Schoß kam ihm in den Sinn, und er glaubte sogar, über dem Bett zu schweben, weil er einfach leichter geworden war. Die Kraft der Hände hatte in seinem Körper vieles verändert, aber nichts zum Schlechten hin.
    Schwester Elfie war wunderbar, sie war ein Phänomen, man konnte sie einfach nicht beschreiben. Es war nichts, rein gar nichts von dieser schweren Operation zurückgeblieben.
    Ich bin wieder gesund, dachte Sir James, der auch wieder klar denken konnte, denn kein schlechtes Gefühl beeinträchtigte ihn. Kein Schmerz huschte durch seinen Leib. Es war in dieser Richtung einfach nichts mehr vorhanden.
    Und noch etwas war geschehen.
    Wie ein breiter Strom, der sich trotzdem in mehrere andere aufgeteilt hatte, war die Kraft wieder in seinen Körper zurückgekehrt. Er fühlte sich so gesund wie immer. Normalerweise hätte er sich zur Seite drehen und aus dem Bett steigen können. Sich anziehen, das Zimmer verlassen, danach das Krankenhaus, sich in ein Taxi setzen und nach Hause fahren lassen. Es würde ihm keine Schwierigkeiten mehr bereiten, und er wünschte sich sogar, daß ihm die Krankenschwester den verdammten Verband entfernte, damit er sich die Wunde oder das, was von ihr übriggeblieben war, selbst anschauen konnte.
    Dazu hätte er reden müssen, das wiederum wollte er nicht. Die Atmosphäre sollte nicht gestört werden. Elfie Gazzow wußte sehr genau, wann sie aufzuhören hatte.
    Ein Fluch zerriß die so wunderbare Atmosphäre. Elfie hatte ihn ausgestoßen. Sir James spürte, wie sich die heilenden Hände von seinem Körper lösten. Für einen schrecklich langen Moment wartete er auf eine Rückkehr der höllischen Schmerzen, aber sie traten nicht auf.
    Dafür spürte er die warmen Handflächen an seinen Wangen, und er hörte auch den Befehl der Krankenschwester.
    »Offne die Augen, verdammt!«
    Sir James war zusammengezuckt. Der gesamte Zauber der letzten Minuten war dahin, und er kam dem Befehl nach.
    Dicht über ihm schwebte Elfies Gesicht.
    Gesicht?
    Ja, es war noch ein Gesicht, aber es hatte sich zu einer abstoßenden und bösartigen Fratze verzogen, um die Gefühlswelt der Frau offenzulegen.
    Die Hände lösten sich von seinen Wangen. Sie umklammerten die Schultern des Mannes und schüttelten ihn durch. Sir James hörte sich keuchend atmen. Er rechnete damit, daß die Schmerzen wieder zurückkehrten, diesmal aber so stark, daß er es nicht überlebte. Aber er hatte Glück, auch in den folgenden Sekunden spürte er nichts mehr.
    Dafür hörte er die zischende Stimme der Frau. Sie klang bösartig wie die einer Märchenhexe.
    »Du hast mich reingelegt, Sir James Powell. Du hast es tatsächlich versucht, alter Mann.«
    »Nein, nein!« würgte Sir James hervor, der überhaupt nicht wußte, was mit ihm geschah. »Ich habe nichts getan. Ich…«
    »Doch, das hast du!«
    »Wie denn?«
    Schwester Elfie ließ ihn los. Die Arme zogen sich zurück, aber sie ließ die Hände noch gespreizt über dem Gesicht des Mannes schweben, wie die Krallen von Raubvögeln.
    »Er ist da!« flüsterte sie. »Er hat den Keller verlassen, und er ist jetzt hier oben.«
    »Wer denn?« jammerte der Mann. »Ich weiß es nicht. Ich habe keinen gesehen.«
    »Der Mann mit dem Kreuz!«
    »John Sinclair!« brach es aus Sir James hervor.
    »Ah, so heißt er.«
    »Ja. Ich habe ihn kommen lassen, weil ich etwas sah, mit dem ich nicht zurechtkam. Himmel, das mußt du doch begreifen können. Ich habe ein Gespenst gesehen. Einen Geist. Das Gespenst mit dem Messer. Ich weiß es doch und…«
    »Ja!« zischte die Frau in die Antwort hinein. »Es gibt das Gespenst mit dem Messer, wie du es ausgedrückt hast. Und du solltest froh sein, daß es so ist. Gäbe es diesen Geist nicht, ginge es dir verdammt schlecht. Sehr schlecht sogar. Dann hätte ich dich längst vernichtet. Hast du gehört? Du wärst krepiert.« Die Arme der Frau schnellten in die Höhe.
    Sie selbst stand auch auf und drehte sich vom Bett weg. Einen Moment später schaltete sie die Lampe ein. Das weiche Licht floß durch den Raum, ohne Sir James zu blenden.
    Sein Blick fiel nach vorn in die sanfte Helligkeit hinein. Dort sah er das Gespenst.
    Es stand auf dem Fleck, ohne sich zu rühren. Etwas Weißes, Statuenhaftes in der grauen Dämmerung, als wäre es mit hastigen Pinselstrichen unfertig hingezeichnet
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