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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie
Autoren: Chuck Palahniuk
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Prolaps
    »Das ist der Job, den ich aufgegeben habe, um hierher zu kommen«,
    sagt Sankt Prolaps. »Und das Leben, das ich aufgegeben habe.«
    Er hat einen Reisebus gefahren.

    Sankt Prolaps auf der Bühne, die Arme vor der Brust verschränkt
    so dünn
    dass er sich auf dem Rücken bei den Händen fassen kann.
    Dort steht Sankt Prolaps, einen Anstrich von Haut auf seinem Skelett.
    Die Schlüsselbeine wölben sich über seiner Brust, groß wie
    Haltegriffe.
    Die Rippen zeichnen sich durch sein weißes T-Shirt ab, und sein Gürtel –
    und nicht sein Hintern - hält ihm die Jeans am Leib.

    Auf der Bühne, statt eines Scheinwerfers, Filmausschnitte:
    Die Farben von Häusern und Bürgersteigen, Verkehrsschildern und
    parkenden Autos
    wischen seitlich über sein Gesicht. Eine Maske aus Schwerlastverkehr.
    Lieferwagen und Lastwagen.

    Er sagt: »Dieser Job, Reisebusse fahren ...«
    Immer nur Japaner, Deutsche, Koreaner, alle mit Englisch als
    erster Fremdsprache. Mit Sprachführern
    in der Hand, nickten und lächelten sie beifällig
    zu allem, was er
    ins Mikro sprach, während er den Bus um Kurven lenkte, durch
    Straßen, vorbei an den Häusern von Filmstars oder
    extrabrutalen Morden, Wohnungen, in denen
    Rockstars an Überdosen krepiert waren.
    Tag für Tag dieselbe Tour, dasselbe Mantra von Mord,
    Filmstars, Unfällen. Orte,
    wo Friedensverträge unterzeichnet worden waren. Wo Präsidenten
    geschlafen hatten.
    Bis zu dem Tag, an dem Sankt Prolaps am Zaun einer Ranch hält,
    nur ein Abstecher,
    um zu sehen, ob dort der viertürige Buick seiner Eltern steht, ob sie
    noch dort leben,
    wo im Vorgarten ein Mann einen Rasenmäher
    schiebt.
    Dort spricht Sankt Prolaps ins Mikro zu seiner
    klimatisierten Fracht:
    »Hier sehen Sie Sankt Mel.« Und sein Vater blinzelt den Bus und seine getönten
    Fenster an.
    »Der Schutzheilige von Scham und Wut«, sagt Prolaps.

    Danach bietet die Tour täglich »Das Heiligtum von Sankt Mel
    und Sankt Betty.«
    Sankt Betty ist die Schutzheilige der öffentlichen Demütigung.
    Sankt Prolaps hält vor dem Hochhaus, in dem seine Schwester eine
    Eigentumswohnung hat, und zeigt auf eins der
    oberen Stockwerke. Das da oben ist das Heiligtum von Sankt Wendy.
    »Die Schutzheilige der indizierten Abtreibung.«

    Er hält vor seiner eigenen Wohnung und
    erzählt der Busladung: »Das Heiligtum von Sankt Prolaps«,
    und der Heilige selbst, seine schmalen Schultern, seine dünnen
    Lippen
    und sein zu weites Hemd,
    spiegeln sich noch kleiner im Rückspiegel.
    »Der Schutzheilige der Masturbation.« Und alle in seinem Bus nicken und recken die
    Hälse, um etwas Göttliches
    zu sehen.

Vorfall
Eine Erzählung von Sankt Prolaps
    Atme ein.
    Hol so viel Luft, wie du kannst.
    Diese Geschichte sollte ungefähr so lange dauern, wie du die Luft anhalten kannst, und dann noch ein bisschen länger. Also hör so schnell zu, wie du kannst.
    Ein Freund von mir, der hörte, als er dreizehn war, von »Pegging«. So nennt man das, wenn ein Mann mit einem Dildo in den Arsch gefickt wird. Wird die Prostata heftig genug stimuliert, kriegt man angeblich, ohne die Hand zu Hilfe zu nehmen, explosive Orgasmen. In diesem Alter war mein Freund von Sex besessen. Immer auf der Suche nach noch besseren Methoden, sich einen runterzuholen. Also zieht er los, um sich eine Möhre und Vaseline zu kaufen. Um einen kleinen Selbstversuch durchzuführen. Dann malt er sich aus, wie das an der Supermarktkasse wohl aussehen wird, die eine Möhre und die Vaseline, wie sie auf dem Transportband zur Kassiererin wandern. Die anderen Kunden in der Schlange, alle sehen das. Alle sehen den großen Abend, den er geplant hat.
    Also kauft mein Freund Milch und Eier und Zucker und eine Möhre, sämtliche Zutaten für einen Möhrenkuchen. Und Vaseline.
    Als ob er sich dann zu Hause einen Möhrenkuchen in den Arsch schieben wollte.
    Zu Hause schnitzt er sich die Möhre zu einem stumpfen Gegenstand zurecht. Schmiert sie dick mit Vaseline ein und rammt sie sich tief in den Arsch. Dann - nichts. Kein Orgasmus. Nichts. Nur dass es wehtut.
    Dann ruft seine Mom: Zeit zum Essen. Er soll endlich runterkommen, auf der Stelle.
    Er fummelt die Möhre raus und versteckt das glitschige, stinkende Ding zwischen den schmutzigen Kleidern unter seinem Bett.
    Nach dem Essen ist die Möhre nicht mehr da. Während er beim Essen saß, hat Mom seine schmutzigen Sachen geholt und in die Waschmaschine getan. Natürlich hat sie die Möhre gefunden, sorgfältig mit einem Obstmesser
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