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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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es zweimal wöchentlich besuchten. Sobald Frau Colleville wieder aufgestanden war, sagte sie offen, aber ernsthaft zu Thuillier:
    »Wenn wir gute Freunde bleiben wollen, mein Lieber, dann dürfen Sie nicht mehr als unser Freund sein wollen; Colleville liebt Sie ja, und wenn es einer im Hause tut, so genügt das.«
    »Erklären Sie mir doch,« sagte der schöne Thuillier zu der Tänzerin Tullia, die sich gerade bei Frau Colleville befand, »weshalb die Frauen mich nicht lieb behalten wollen. Ich bin ja gewiß kein Apollo von Belvedere, aber doch auch kein Vulkan; ich sehe erträglich aus, ich habe Geist, ich bin treu ...«
    »Wollen Sie die Wahrheit wissen?« erwiderte Tullia.
    »Jawohl«, sagte der schöne Thuillier.
    »Also, wenn wir auch mal ein Vieh lieben können, so lieben wir doch nie einen Dummkopf.«
    Dieses Wort vernichtete Thuillier, und er kam nicht mehr auf die Sache zurück; er war seitdem melancholisch und schalt auf die Launen der Weiber.
    »Habe ich dir das nicht vorhergesagt? ...« sagte Colleville. »Ich bin kein Napoleon, mein Lieber, und ich möchte auch keiner sein; aber ich besitze eine Josephine, ... eine Perle!«
    Der Generalsekretär des Ministeriums, des Lupeaulx, dem Frau Colleville mehr Einfluß zugetraut hatte, als er besaß, und von dem sie später zu sagen pflegte: »Der war einer von denen, in welchen ich mich geirrt habe ...«, war damals eine Zeitlang der große Mann im Salon Colleville; aber da er nicht imstande war, Colleville in die Abteilung Bois-Levant zu bringen, war Flavia so klug, seine Bemühungen um Frau Rabourdin, die Gattin des Bureauchefs, übelzunehmen, eine Zierpuppe, wie sie sich ausdrückte, die sie niemals eingeladen und ihr gegenüber zweimal sich herausgenommen hatte, nicht zu ihren Konzerten zu kommen.
    Frau Colleville war tief erschüttert von dem Tode des jungen Gondreville; sie war untröstlich; sie erblickte darin, wie sie sagte, die Hand Gottes. Im Jahre 1824 wurde sie häuslich, redete vom Sparen, gab ihre Empfangsabende auf, beschäftigte sich mit ihren Kindern, wollte eine gute Hausmutter sein, und ihre Freunde hörten nicht, daß sie jemanden bevorzugte; sie ging in die Kirche, kleidete sich einfach, in graue Farben, und redete über Katholizismus und über Schicklichkeit; und diese Richtung aufs Geistliche ließ im Jahre 1825 ein reizendes Kind zur Welt kommen, das sie Theodor nannte, das heißt »Gottesgeschenk«.
    So wurde auch Colleville im Jahre 1826, der schönen Zeit der Kongregationen, zum Vizechef in der Abteilung Clergeot ernannt und im Jahre 1828 zum Steuereinnehmer eines Pariser Bezirks. Er erhielt das Kreuz der Ehrenlegion, so daß er einmal seine Tochter in Saint-Denis würde erziehen lassen können. Die halbe Freistelle, die Keller für Charles, das älteste Kind Collevilles, im Jahre 1823 durchgesetzt hatte, wurde auf den zweiten Sohn übertragen; Charles erhielt eine volle Freistelle im Gymnasium Saint-Louis, und der dritte Sohn, ein Schützling der Dauphine, bekam eine Dreiviertel-Freistelle am Gymnasium Henri IV.
    Im Jahre 1830 war Colleville, der das Glück hatte, daß ihm alle seine Kinder erhalten geblieben waren, genötigt, wegen seiner Anhänglichkeit an die alte Linie des Königshauses seinen Abschied zu nehmen; aber er verstand das so geschickt zu bewerkstelligen, daß er mit Rücksicht auf seine Dienstzeit eine Pension von zweitausendvierhundert und von seinem Nachfolger eine Abfindungssumme von zehntausend Franken erhielt und zum Offizier der Ehrenlegion befördert wurde. Trotzdem befand er sich in schwieriger Lage, und so riet ihm im Jahre 1832 Fräulein Thuillier, in ihr Haus zu ziehen, wobei sie die Aussicht durchblicken ließ, daß er eine Stelle in der städtischen Verwaltung erhalten könne, was ihm auch nach vierzehn Tagen gelang und ihm ein Einkommen von tausend Talern einbrachte.
    Charles Colleville war eben in die Marineschule eingetreten. Die Gymnasien, in denen die beiden andern kleinen Collevilles erzogen wurden, lagen in ihrem Stadtviertel. Das Seminar von Saint-Sulpice, in das dereinst der Jüngste kommen sollte, war nur wenige Schritte vom Luxembourg entfernt. Endlich wollten Thuillier und Colleville ihr Leben zusammen beendigen. Im Jahre 1833 zog Frau Colleville, damals fünfunddreißig Jahre alt, mit Celeste und dem kleinen Theodor nach der Rue d'Enfer, an der Ecke der Rue des Deux-Eglises. Colleville hatte es gleich weit nach dem Rathause und nach der Rue Saint-Dominique. So sah sich das Ehepaar nach einem
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