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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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Dunkelheit, fing sich in der Klinge des Speers und spiegelte sich auf dem totenbleichen Gesicht.
    »Verzeih mir«, sagte Hagen.
    In dem Augenblick, als der Speer ihn durchbohrte, sah er durch das Antlitz der Göttin hindurch das erschreckte, verletzte Gesicht des Mädchens aufscheinen, das er kannte und liebte. Und dieser Anblick war das Letzte, was ihm bewusst war, als er in die Dunkelheit hinabstürzte.
    Da wusste er, dass er richtig gehandelt hatte.
    Und der Stein schrie.



17
Die Äpfel der Jugend
    Hagen träumte.
    Sonnenwind auf seiner Haut.
    Er lag auf einer Wiese im warmen, strahlenden Licht. Ringsum summten Bienen und zwitscherten Vögel. Er sah einer Lerche nach, die sich in den blauen Himmel schraubte und dabei ihr Lied erklingen ließ. Wolken von Blütenstaub wogten empor und kitzelten ihn in der Nase. Er nieste und hob den Kopf.
    Sein Blick ging nach links. Neben ihm im Gras lag der Speer, zum Greifen nahe. Er war blank und makellos; kein Blut klebte daran.
    Auf der anderen Seite, zur Rechten, lag ein Schwert. Es war aus einem Stück geschmiedet, blattförmig, ohne jeden Schmuck; denn seine Form allein war schon Zierde genug. Die Klinge eines Königs.
    Er hatte diese Klinge schon einmal gesehen. Sie hatte ihn verwundet, bei einem Kampf, vor langer, langer Zeit.
    Sein Blick glitt an seinem Körper hinunter. Von einer Wunde war nichts mehr zu sehen. Dafür sah er zu seinen Füßen den Kessel. Er blinkte im Sonnenlicht, wie aus reinem Gold gemacht. Die Verzierungen an seinem Rand, in feinen, verschlungenen Bändern gearbeitet, schienen zu leben.
    Langsam setzte er sich auf und wandte sich um. Dort wo sein Kopf gelegen hatte, wie im Gras noch deutlich zu erkennen war, erhob sich ein Stein. Doch der Stein war nicht schwarz, wie er ihn in Erinnerung hatte. Er war klar wie Kristall, und das Licht brach sich darin in allen Farben des Regenbogens.
    »Hagen!«
    Es war ein Ruf voller Freude und Erschrecken zugleich. Hagen fuhr herum. Noch ehe er die Gestalt, die mit ausgebreiteten Armen auf ihn zugelaufen kam, erkannte, ahnte er schon, wer es war.
    »Gunhild.«
    Ihr Haar war immer noch so hell wie das der Mórrigan, doch nicht bleich, sondern von der Farbe der Sonne. Ihr Gesicht leuchtete vor Frische. Das Gewand, das sie trug, war von hellem Leinen. Nichts von dem trügerischen Glanz des Todes war mehr an ihr. Sie strahlte vor Leben.
    Als sie vor ihm stand, fehlten ihm die Worte. Er konnte sie nur noch anschauen und staunen.
    Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er nackt war. Doch bevor er erröten oder auch nur eine Bewegung machen konnte, um seine Blöße zu bedecken, legte sie ihm den Finger auf die Lippen. Dann streifte sie sich das Kleid von den Schultern und kam zu ihm.
    Als sie später, müde und berauscht, eng umschlungen beieinander lagen, sagte Hagen zu ihr: »Du hast mir verziehen, nicht wahr?«
    »Wenn du es kannst, dann kann ich es auch«, meinte Gunhild, und dann seufzte sie einmal kurz auf. »Und doch wünschte ich, mein Bruder wäre hier.«
    Plötzlich waren sie sich der Gegenwart eines Dritten bewusst. Sie sprangen auf. Aber es war nicht Siggi. Es war ein junger Mann, dunkelhaarig, in Grau gekleidet, der auf dem großen Stein saß und sie lächelnd ansah. Wie lange er wohl da gesessen hatte?
    »Habt keine Furcht«, sagte er. »Die Zeit der Mühen und Ängste ist jetzt vorbei. Jetzt lasst uns tanzen und fröhlich sein.«
    Er fasste sie bei den Händen, und gemeinsam tanzten sie über die Blumenwiesen und Hügel und hielten erst inne, als sie in den Schatten eines Waldes eintraten.
    Vor ihnen lag ein klarer, kühler Teich. Ihre Gesichter spiegelten sich in der Flut: schwarz, silbern und golden. In der Tiefe des Wassers blinkte es auf wie von einem großen Lachs, der dort seine Kreise zog. Und von den Seiten her neigten sich Zweige über den Spiegel des Sees, in deren Grün es aufleuchtete von roten, reifen Äpfeln.
    »Nehmt und esst!«
    Sie nahmen die ihnen dargereichten Früchte, doch Hagen zögerte einen Moment, hineinzubeißen.
    »Diesmal darfst du«, sprach der Fremde. »Denn nur wer ungebeten davon kostet, findet darin den Tod. Denn dies sind die Äpfel von Emain Ablach, dem Hain des ewigen Lebens.
    Nein«, fuhr er fort, als er Gunhilds erschrockenes Gesicht sah, »sie werden euch nicht unsterblich machen. Aber sie werden das Leid von euch nehmen, das auf euch liegt und welches das Los aller Sterblichen ist. Wer von diesen Äpfeln gegessen hat, wird den Tod nicht fürchten in Ewigkeit.«
    Sie
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